Nach einem deutlichen Rückgang im Vorjahr steigen die Treibhausgasemissionen in Deutschland wieder an. So wurden im Jahr 2021 rund 762 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt – das sind gut 33 Millionen Tonnen oder 4,5 Prozent mehr als 2020. Insgesamt sind die Emissionen seit 1990 in Deutschland damit um 38,7 Prozent gesunken. Der Anstieg im letzten Jahr ist insbesondere im Energiesektor zu verzeichnen: Dieser weist ein Plus von 27 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf, da wegen gestiegener Stromnachfrage, geringerer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und des gestiegenen Gaspreises verstärkt Kohle zur Stromerzeugung genutzt wurde. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sank vor allem aufgrund schlechter Windverhältnisse um sieben Prozent. Im Verkehrs- und Gebäudebereich lagen die Emissionen über den im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahreshöchstmengen. Das geht aus den aktuellen Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) hervor, die nach den Vorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes und der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) vorgelegt wurden.
Klima-Staatssekretär Patrick Graichen: „Der Anstieg der Treibhausgasemissionen hat sich leider abgezeichnet. Dem wird die Bundesregierung jetzt mit einem Klimaschutz-Sofortprogramm zügig entgegenwirken. A & O ist ein wesentlich höheres Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir müssen es schaffen, dreimal so viele Kapazitäten wie bisher zu installieren, um den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 Prozent zu steigern. Eine Hängepartie wie in den letzten Jahren darf es dabei nicht mehr geben. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns zudem auf dramatische Weise deutlich gemacht, wie sehr Sicherheit und Energieversorgung zusammenhängen. Wir können es uns nicht mehr leisten, das zu ignorieren. Deshalb gilt es jetzt, jeden Stolperstein auf dem Weg zu mehr Wind- und Sonnenkraft zügig aus dem Weg zu räumen. Die schnellere Abkehr von fossilen Energien muss alle Bereiche umfassen – von der Industrieproduktion über den Gebäudebereich bis hin zur Mobilität und der Landwirtschaft. Entscheidend ist dabei, die soziale Balance zu wahren.”
UBA-Präsident Dirk Messner: „Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 ist fast zur Hälfte schon wieder verloren. Unsere Zahlen zeigen deutlich, dass die Ziele der Bundesregierung schnellstens angegangen werden müssen. Wir müssen schnell mehr Sonnen- und Windenergieanlagen bauen. Unsere Gebäude müssen wir auf Wärmepumpen umstellen und so schnell wie möglich aufhören Öl- und Gasheizungen einzubauen. Bei unseren Häusern können wir auch mit Energiesparen noch einiges erreichen, vor allem indem wir sie besser energetisch sanieren. Das hilft auch gegen unsere Energieabhängigkeit von Russland. Hier kann jede und jeder einzelne etwas tun, was auch dem Klima hilft: Etwas weniger heizen, das Auto öfter mal stehen lassen oder, wenn es doch notwendig ist, langsamer fahren.“
Aktuelle Emissionsdaten im Einzelnen
Seit 1990 sanken die Emissionen in Deutschland um 38,7 Prozent. Das Ziel für 2030 ist ein Minus von 65 Prozent. Emissionssteigerungen gegenüber dem Vorjahr gab es 2021 in nahezu allen Bereichen. Die verfügbaren Daten zeigen, dass seit 2010 vor allem die Energiewende zur Reduktion der Emissionen beigetragen hat. Alle anderen bedeutenden Sektoren stagnieren seit 2010 mehr oder weniger.
Im Sektor Energiewirtschaft sind mit rund 27 Mio. Tonnen die größten Emissionssteigerungen in absoluten Zahlen zu verzeichnen – das entspricht 12,4 Prozent mehr als 2020. Mit rund 247 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente lagen die Emissionen aber noch gut elf Mio. Tonnen unter denen des Jahres 2019. Eine Jahresemissionsmenge für 2021 gibt es im Bundes- Klimaschutzgesetz für den Sektor Energiewirtschaft nicht. Besonders deutlich stiegen die Emissionen aus der Stein- und Braunkohlenverstromung aufgrund des erhöhten Kohleeinsatzes. Der Einsatz von emissionsärmerem Erdgas nahm dagegen in der zweiten Jahreshälfte aufgrund der deutlich gestiegenen Gaspreise ab. Die wesentlichen Gründe für den erhöhten Einsatz fossiler Energieträger zur Stromerzeugung ist die im Vergleich zum Vorjahr um 17,5 TWh deutlich verringerte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insbesondere die geringere Windstromerzeugung, und ein um 13,5 TWh gestiegener Bruttostromverbrauch.
Im Sektor Industrie stiegen die Emissionen gegenüber dem Vorjahr um gut neun Mio. Tonnen CO2-Äquivalente an (plus 5,5 Prozent). Mit rund 181 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten lagen sie damit wieder fast auf dem Niveau von 2019, aber knapp unter der im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Jahresemissionsmenge von 182 Mio. Tonnen CO2- Äquivalenten. Hier spielen aufholende Konjunktureffekte in Folge der Corona-Krise und ein vermehrter Einsatz fossiler Brennstoffe eine wichtige Rolle. Die deutlichste prozentuale Steigerung gab es in der Stahlindustrie, wo die Rohstahlerzeugung um rund 12 Prozent anstieg. Im produzierenden Gewerbe (energiebezogener Anteil) stiegen die Emissionen um rund sieben Mio. Tonnen CO2-Äquivalente bzw. 6,4 Prozent.
Im Gebäudebereich kam es 2021 zu einer Emissionsminderung von knapp vier Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten (minus 3,3 Prozent) auf rund 115 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten. Trotz dieser Emissionsminderung überschreitet der Gebäudesektor, wie bereits im Vorjahr, die erlaubte Jahresemissionsmenge gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz, die bei 113 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten liegt. Die Emissionsreduzierung ist im Wesentlichen als Sondereffekt auf deutlich verringerte Heizölkäufe zurückzuführen. Die Heizöllager wurden aufgrund der günstigen Preise und in Erwartung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes bereits 2019 und 2020 umfangreich aufgestockt. Der Erdgasverbrauch stieg dagegen witterungsbedingt an.
Weiteres Verfahren gemäß Bundesklimaschutzgesetz
Die Emissionsdaten des Jahres 2021 werden nun, wie im Gesetz vorgesehen, vom Expertenrat für Klimafragen geprüft. Der Expertenrat legt innerhalb eines Monats eine Bewertung der Daten vor. Danach haben die jeweils zuständigen Ministerien laut Gesetz drei Monate Zeit, ein Sofortprogramm vorzulegen, das Vorschläge für Maßnahmen enthält, die den Gebäudesektor und Verkehrssektor in den kommenden Jahren auf den vorgesehenen Zielpfad bringen. Die Bundesregierung arbeitet allerdings bereits an einem Klimaschutz-Sofortprogramm, das diese Anforderungen so weit wie möglich erfüllen soll.
Dirk Messner: „Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssen nun pro Jahr sechs Prozent Emissionen gemindert werden. Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent. Um das zu schaffen braucht Deutschland jetzt eine gemeinsame Energieanstrengung. Wir müssen zusammen alle Kraft darauf verwenden uns unabhängig zu machen von russischer Energie und um unser Klima zu schützen.“
Aktuelle Daten zu den Erneuerbaren Energien
Bereits im Jahr 2020 wurde das im Rahmen der EU-Erneuerbare-Energien- Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED) verbindlich gesteckte deutsche Ziel von 18 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch mit 19,3 Prozent übertroffen. 2021 stieg der Bruttoendenergieverbrauch aus erneuerbaren Energien im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor nach den Rechenvorgaben der RED weiter leicht auf 483 Mrd. kWh an. Dies entsprach einem Anteil von 19,7 Prozent am gesamten Bruttoendenergieverbrauch.
Maßgeblich war insbesondere, dass aufgrund des kalten Winters mehr erneuerbare Energien für Wärme und Kälte genutzt wurden. Deshalb – und weil zusätzlich der für die Berechnung des Anteils maßgebliche Heizölabsatz infolge hoher Lagerbestände und steigender Ölpreise rückläufig war – erhöhte sich der Anteil erneuerbarer Wärme deutlich von 15,3 auf 16,5 Prozent im Jahr 2021. Der Wärme- und Kältebereich steht für mehr als die Hälfte des gesamten deutschen Bruttoendenergieverbrauchs.
Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ging aufgrund eines vergleichsweise schlechten Windjahres 2021 um sieben Prozent zurück. Zugleich stagnierte der Ausbau von Windenergieanlagen an Land in den letzten Jahren. Der erneuerbare Anteil am Bruttostromverbrauch sank entsprechend von 45,2 Prozent im Jahr 2020 auf 41,1 Prozent. Der Stromverbrauch steht für etwa ein Viertel des gesamten deutschen Bruttoendenergieverbrauchs. Für das europäische Monitoring nach RED wird der reale Rückgang der erneuerbaren Stromerzeugung allerdings abgemildert durch eine Normalisierungsregel für den Ausgleich von Witterungseffekten über mehrere Jahre.
Im Verkehrssektor sank der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Endenergieverbrauch von 7,6 Prozent im Vorjahr auf 6,8 Prozent im Jahr 2021. Dieser Rückgang ist mit besonderen Übertragungsregelungen aus früheren Jahren im Rahmen der Treibhausgasminderungsquote und einer höheren Anrechnung von Upstream-Emissionsminderungen zu erklären. Der Verkehr ist für gut ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs verantwortlich.
Diese und viele weitere aktuelle und qualitätsgesicherte Daten sind im erschienenen Hintergrundpapier „Erneuerbare Energien in Deutschland – Daten zur Entwicklung im Jahr 2021“ der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat) erschienen. Ergänzt werden die ersten verfügbaren Daten zum Einsatz der erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr um Berechnungen zu den damit verbundenen vermiedenen Emissionen und wirtschaftlichen Effekten.