Wie die Wirtschaftswoche berichten, sehnen sich viele Fach- und Führungskräfte nach persönlichen Treffen mit Kunden und Kollegen. Das zeigt eine aktuelle Studie. Von der Rückkehr zum Geschäftsreisen erhoffen sie sich bessere Beziehungen und mehr Umsätze.
Aus Mangel an Alternativen sahen sich Belegschaften in den vergangenen Monaten untereinander nur noch auf dem Computerbildschirm. Und auch diejenigen, die sonst den Kontakt zur Außenwelt halten sollten, waren durch die Kontaktbeschränkungen um das Coronavirus einzudämmen quasi zum Hausarrest verdonnert. Die Pandemie hatte in wenigen Wochen die Reisepraktiken der gesamten Wirtschaft auf den Kopf gestellt. Doch gerade die Reisefreudigeren unter deutschen Fach- und Führungskräften scheinen sich den persönlichen Kontakt mit Kunden und anderen Geschäftspartnern zurückzusehnen.
Das zumindest legt die Studie „Chefsache Business Travel 2020″ im Auftrag des Deutschen Reiseverbands (DRV) nahe, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt. Im Mai 2020 wurden dazu mehr als 100 Geschäftsführer, die selbst regelmäßig auf Geschäftsreisen sind, sowie geschäftsreisende Führungs- und Fachkräfte aus Unternehmen ab 250 Mitarbeitern, befragt. Die erste Erkenntnis ist naheliegend: 69 Prozent der Geschäftsreisen wurden seit März durch virtuelle Meetings ersetzt. Lediglich 16 Prozent der persönlichen Treffen mit Kunden oder Dienstleistern fanden statt. Glaubt man den weiteren Ergebnissen der Umfrage, wird dieser Zustand aber nicht mehr lange bestehen. Die deutschen Manager wollen raus aus Zoom, Teams und Co. und zurück auf Straße, Schiene und in die Flughafenlounges. Insgesamt bevorzugen 85 Prozent der Manager persönliche Meetings, 43 Prozent von ihnen planen, in Zukunft wieder deutlich weniger virtuell zu kommunizieren.
Zwar schätzt ein großer Teil der Befragten, dass die digitalen Meetings Zeit und Geld sparen. Doch 68 Prozent von ihnen sehen technische Schwierigkeiten als ernsthaftes Problem. Verständlich, denn wenn sich das Gegenüber nur in Stop-Motion bewegt und die Stimme klingt wie im Dosentelefon, lassen sich die Konditionen für einen neuen Liefervertrag deutlich schlechter verhandeln, als von Angesicht zu Angesicht. Vertrauen entsteht im Chatroom eben nicht so leicht, wie an der Hotelbar. Das könnte auch ein Grund dafür sein, dass fast die Hälfte der Befragten der Ansicht ist, sie könnten die fürs Geschäft wichtigen Beziehungen in persönlichen Treffen besser pflegen. Und ein größerer Teil von ihnen geht davon aus, dass sie mehr Umsatz erzielen können, wenn sie mit Kunden in einem Raum sind, als wenn sie sich mittels der Computerkamera unterhalten.
Viele leiden unter „Zoom-Müdigkeit“
Die subjektive Einschätzung der Befragten wird auch durch Erkenntnisse von Wissenschaftlern belegt. Forscher wie Gianpietro Petriglieri von der Insead Business School sprechen mittlerweile gar von der „Zoom-Müdigkeit“, also dem Phänomen, dass Videokonferenz-Tools mit zunehmendem Einsatz die Nutzer stärker belasten. Ein Faktor: Man sieht sich ständig selbst auf dem Bildschirm, was zumindest unterbewusst dazu führt, dass man sich der anstrengenden Aufgabe hingibt, sich selbst besser zu präsentieren. Dazu kommt, dass es dem Hirn schwerer fällt, nicht-verbale Kommunikation auf dem Bildschirm zu deuten. Ein weiterer Punkt: Digitale Meetings lassen sich schneller, einfacher und oft auch gedankenloser in die Terminkalender schießen, was schlicht zu einer größeren Zahl an Konferenzen führt, als nötig wäre.
Grundsätzlich überrascht es kaum, dass die aktuelle Studie im Auftrag der Reisewirtschaft die Rückkehr des Reisens beschwört. Ob es wirklich so kommt, bleibt fraglich, denn einige Gründe sprechen auch für eine vorsichtigere Prognose. Da wären zum einen bleibende Sorgen, sich beim Reisen einem größeren Infektionsrisiko auszusetzen. Dazu kommen wachsende Umweltbedenken seitens der Unternehmen. Wer gleichzeitig Kosten und den firmenweiten CO2-Ausstoß senken kann, denkt auch nach der Pandemie zweimal darüber nach, ausgiebige Geschäftsreisen zu genehmigen.
Quelle: Wirtschaftswoche