Michael Hüther zum Koalitionsvertrag: “Jetzt ist pragmatisches Handeln gefragt”

Union und SPD haben am Mittwochnachmittag ihren Koalitionsvertrag in Berlin vorgestellt. Zu den Ergebnissen äußert sich der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.

Ein Koalitionsvertrag mit echten Fortschritten – und Baustellen. Auf der Habenseite findet sich mehr Gutes als man sich vor Wochen erhoffen konnte. Eine schwieriger Wahlabend, eine Wirtschaft, die tief in der Krise steckt und ein immer erratischer agierender US-Präsident: Angesichts der schwierigen Ausgangslage ist es bemerkenswert, wie sich Union und SPD erst aus dem Finanzschlamassel befreit haben und nun ein durchaus vorzeigbares Ergebnis vorgelegt haben.

Für die Unternehmen wohnt dem Koalitionsvertrag manch Hoffnung inne: Die Superabschreibung ist ein wirksames Mittel, um Investitionen zu hebeln. Die Unternehmensteuerlast soll in fünf Schritten ab dem Jahr 2028 gesenkt werden. Mehr Tempo wäre wünschenswert, aber schon der geplante Kurs ist ein Schritt in die richtige Richtung. Unverständlich bleibt hingegen, warum der Soli weiterhin bestehen bleibt. Er ist mittlerweile zu einer verkappten Unternehmensteuer geworden, die Mittelverwendung ist völlig unklar. 

Das angekündigte Strompreispaket signalisiert in Zeiten handelspolitischer Verwerfungen eine nötige Entlastung. Gleiches gilt für die Idee, schnellere Arbeitsgenehmigungen zu erteilen – beides ist wichtig, um die immensen Infrastrukturvorhaben der kommenden Jahre zu stemmen. Bei der Bürokratie stimmt zumindest die Rhetorik – eine Staatsmodernisierung hat bisher noch jede Koalition versprochen. Entscheidend wird die Umsetzung: Dass das Lieferkettengesetz entfallen soll, zeigt, dass Union und SPD es dieses Mal ernst meinen könnten.

In vielen Punkten bleiben Friedrich Merz und seine Koalitionäre aber Antworten schuldig. In puncto Rente etwa klingt vieles nach einem „Weiter so“, ein fatales Signal an die junge Generation – als gäbe es die demografische Krise nicht. Außerdem sind an vielen Stellen die doch harten Konfliktlinien von Union und SPD herauszulesen, etwa beim sehr kurzen und schwammigen Kapitel zur Einkommensteuer. Wie gut die Regierung in den ersten Wochen bis Monaten abschneidet, wird sich am pragmatischen Handeln in einem höchst unsicheren globalen Umfeld erweisen müssen.

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