Das haben wir schon lange nicht mehr erlebt: Eine Verdoppelung oder gar Verdreifachung des Umsatzes in einem Warensegment, das einige schon für tot erklärt haben. Mit großer Euphorie starteten wir zu Beginn der 2010er Jahre in die neue Welt der E-Mobilität. Die Hersteller positionierten sich entsprechend und boten Wallboxen und Ladestationen an. Der Boom blieb vorerst aus, lange Zeit hatte man das Gefühl, dass nur noch eine Firma aus dem Sauerland den Markt aktiv bearbeitet. Allmählich stieg dann aber wieder das Interesse der Kunden an E-Fahrzeugen und damit an Ladelösungen. Elon Musk hat uns gezeigt, dass E-Autos nicht klobig und langsam sein müssen, sondern stylish und schnell.
Neue Player auf dem Markt
Das rief wiederum neue branchenfremde Player auf den Plan. Autozulieferer und Hersteller von Druckmaschinen und Geldautomaten entdeckten ihr Herz für die E-Mobilität und hatten auf einmal Wallboxen im Programm. Während am Ende des vergangenen Jahrzehnts noch eine einzelne Wallbox als Projekt angesehen werden konnte und die Tätigkeit des Elektrogroßhandels hauptsächlich aus „Wallbox schubsen“ bestand, waren am Horizont schon neue Herausforderungen zu sehen. Begriffe wie Eichrecht und Lastmanagement tauchten auf und sorgten in allen Vertriebsstufen für Probleme. Die ersten eichrechtskonformen Wallboxen waren erst ein knappes halbes Jahr nach dem Stichtag am 1. April 2019 verfügbar.
Keine einfache Aufgabe für das Handwerk
Für die Elektrofachbetriebe ist es auch nicht leicht, Kunden von etwas zu überzeugen, von dem sie nicht wissen, ob sie es überhaupt gebrauchen werden. Die vollen Auftragsbücher der Branche lassen auch kaum die Zeit, um sich tiefer mit der Materie zu befassen. Im Moment fällt das nicht weiter auf, ist doch durch die 900 Euro Förderung der KfW für jeden privaten Ladepunkt ein Run auf Wallboxen ausgebrochen, wie man ihn sich nicht in den kühnsten Träumen ausmalen konnte. 400 Millionen Euro Förderung ließen die Lieferzeiten bei einigen Herstellern auf bis zu 30 Wochen anwachsen. Natürlich ist das auch Corona und der momentanen Knappheit bei den elektronischen Bauelementen geschuldet. Ist das nur ein Hype, bis kein Geld mehr von der KfW kommt?
Viel Geld in der Förderung
Nein, die Bundesregierung steckt sehr viel Geld in die Förderung der E-Mobilität, um bis 2030 das Ziel von sieben bis zehn Millionen E-Fahrzeugen auf unseren Straßen zu erreichen. Dafür sind dann pro Jahr auch rund eine halbe Million neuer Ladepunkte erforderlich. Die allermeisten werden davon im privaten Bereich montiert werden. Viele Firmen werden auf den Mitarbeiterparkplätzen Lademöglichkeiten anbieten. Dort taucht dann die Frage auf, ob der Hausanschluss das überhaupt leisten kann. Die Netzbetreiber gehen bei Ladepunkten von einem Gleichzeitigkeitsfaktor von 1 aus, das heißt jede 22 kW Wallbox geht auch mit dieser Leistung in die Berechnung ein. Da ist man bei 15 Wallboxen auf einem Firmenparkplatz schnell bei 330 kVA Anschlussleistung.
Lastmanagement zur Reduzierung der Leistung
Umschiffen kann man diese Klippe mit einem Lastmanagement. Ob es dann ein statisches oder ein dynamisches sein soll, bespricht man am besten mit dem Netzbetreiber. Wenn dann die Ladekosten auch noch über ein Backend abgerechnet werden sollen – bei einem Arbeitsweg von 25 km sind das rund 2.000 kWh pro Mitarbeiter im Jahr – wird es langsam spannend. Wir reden dann beim Kunden nicht nur mit der Haustechnik, sondern auch mit dem Finance. Bei solchen Projekten kann man sich noch auf die Unterstützung einer Handvoll der klassischen Großhandelslieferanten bei der Planung und Inbetriebnahme verlassen.
Megatrend Sektorenkopplung
Im Residential Bereich sieht es anders aus, die Kunden hätten gern zur Wallbox die passende PV-Anlage, um möglichst viel selbst erzeugten Strom in das Auto zu laden. Das ist die praktizierte Energie- und Mobilitätswende. Bei der Projektierung ist der Kollege im Großhandel aber oft auf sich allein gestellt, kann doch kein Hersteller vom PV-Modul bis zur Wallbox alles anbieten. Dabei entwickelt sich gerade die Sektorenkopplung zu einem Megatrend.
Wie entwickelt sich die Technik weiter?
Spätestens zur Mitte des Jahrzehnts wird es bidirektionale Wallboxen geben, die das Fahrzeug mit Gleichstrom laden. Damit kann dann das Ladegerät im Fahrzeug entfallen, das zusätzliche Gewicht war der Autoindustrie sowieso ein Dorn im Auge. Die Wallbox selbst verfügt dann über einen integrierten Wechselrichter von etwa 5 kW Leistung, um den nächtlichen Stromverbrauch im Haus abzudecken. Das Fahrzeug passt selbst darauf auf, dass für die Fahrten am nächsten Tag noch genug „Saft“ in der Batterie ist. Die Technik dazu ist keine Science-Fiction, die erste AC-Wallbox erscheint gerade auf dem Markt. „Next Trip Mode“ ist da das Zauberwort zum Laden des PV-Überschusses.
Chance oder Bedrohung?
Für den Großhandel, der sich einfach nur als Warenverteiler sieht, wird es schwer werden. Zu viele neue Player sind bei den Herstellern auf dem Markt, die sich nicht für klassische Vertriebsstrukturen interessieren. Für sie ist der Onlinehandel spannender und verspricht schnelle Erfolge für einfache Plug & Play Wallboxen. Bei eichrechtskonformen Systemen mit Lastmanagement sieht das dann schon anders aus, da ist Planungs- und Vertriebsunterstützung vor Ort gefragt. Das heißt: Wir benötigen den Außendienstler, die den persönlichen Kontakt zum Fachbetrieb halten. Und wir brauchen die Kompetenz im Innendienst, die solche Anlagen ausarbeiten – dann können wir den Kunden vor Ort das beste Angebot unterbreiten.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der April-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Als Printabonnent haben Sie fünf Zugriffe auf die digitale Ausgabe inklusive. Stöbern Sie ansonsten in unserem Shop.
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