Digitale Technologien können fast ein Drittel dazu beitragen, dass der Gebäudesektor in Deutschland seine Klimaziele für das Jahr 2030 erfüllt. Wie eine aktuelle Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom ergibt, können bis zu 14,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden. Dies entspricht fast 30 Prozent des im Klimaschutzgesetz formulierten Reduktionsziels für den Gebäudesektor von 51 Millionen Tonnen CO2. Aktuell sind Energieverbrauch und CO2-Ausstoß von Gebäuden im Vergleich zu anderen Sektoren hoch: Mit 2.956 Petajoule entfallen ein Drittel des Energiebedarfs sowie bis zu einem Viertel der in Deutschland emittierten Klimagase auf diesen Bereich. Damit ist der Gebäudesektor neben Verkehr und industrieller Produktion einer der wesentlichen Verursacher von CO2-Emissionen. „Digitale Technologien können den Ausstoß von Treibhausgasen und den Energiebedarf von Gebäuden massiv senken – sie sind schnell einsatzbereit, entfalten ihr Potenzial unmittelbar und müssen daher viel stärker als bislang in der Klimapolitik berücksichtigt werden“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Schon die im Klimaschutzgesetz formulierten Ziele für das Jahr 2020 wurden seitens des Gebäudesektors nicht erfüllt. Die energetische Sanierung oder z.B. der Austausch von Heizungsanlagen werden auch langfristig nicht ausreichen und sind mit großen Investitionen verbunden. Die bisherigen Förderprogramme waren zu einseitig auf traditionelle Maßnahmen ausgerichtet. Den Kampf für das Klima gewinnen wir aber nicht allein mit dicker Dämmung, wir gewinnen ihn mit smarter Steuerung – im privaten Zuhause ebenso wie bei Gewerbeimmobilien.“
Die Bitkom-Studie wurde vom Borderstep Institut durchgeführt. Sie analysiert ausgewählte Technologien, zu denen gesicherte Erkenntnisse zu Einsparungen vorliegen, hinsichtlich ihrer Potenziale für Klimaschutz und Energieeffizienz. Es handelt sich dabei um die automatisierte Steuerung von Heizung und Warmwassererzeugung, von Beleuchtung und Kühlung sowie eine intelligente Sektorenkopplung, bei der eigene, regenerativ erzeugte überschüssige Energie etwa in Batterien für Elektrofahrzeuge gespeichert wird. Außerdem werden die möglichen Umwelteffekte der digitalen Technologien selbst betrachtet, denn es ist möglich, dass positive Effekte wie die Verringerung von Treibhausgasen durch gegenteilige Effekte etwa bei der Herstellung der Geräte reduziert werden. Insgesamt, so das Fazit der Studie, überwiegen die Einspareffekte des Technikeinsatzes die möglichen Umweltwirkungen jedoch deutlich. Die Ergebnisse der Studie im Überblick:
Automatisierte Steuerung von Heizung und Warmwassererzeugung:
In welchen Büros und Stockwerken eines Gebäudes halten sich gerade Menschen auf? Scheint die Sonne durch die Fenster? Herrscht in voll belegten Räumen wortwörtlich gerade „dicke Luft“? Eine auf digitalen Technologien basierende intelligente Steuerung kann Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen smart und automatisch regeln – was zu deutlichen Energie- und CO2-Einsparungen gegenüber einer manuellen Steuerung führt. Derzeit fallen mehr als 90 Prozent des Energieverbrauchs im Gebäudesektor für Heizung und die Warmwassererzeugung an. Erfolgt der Ausbau von Gebäudeautomation im Wärmebereich im aktuell vorherrschenden Tempo, können hier bis zum Jahr 2030 bis zu 5,7 Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart werden. Bei einem ambitionierten und politisch gesteuerten verstärkten Einsatz der Technologien könnten sich die Einsparungen sogar auf 10,8 Millionen Tonnen bis 2030 erhöhen. „Mit einer digital gesteuerten Automation der Wärmeversorgung können wir den CO2-Ausstoß im Gebäudesektor in kürzester Zeit drastisch senken“, betont Rohleder. „Wir brauchen Anreize für Eigentümer und Mieter privater und gewerblicher Immobilien, um die entsprechenden Technologien schnell in die Fläche zu bringen.“
Automatisierte Steuerung von Kühlung und Beleuchtung:
Nach dem gleichen Prinzip wie bei Heizung und Warmwassererzeugung erfolgt auch eine automatisierte Kühlung und Beleuchtung bedarfsgerecht und in Zusammenspiel mit anderen Teilen der Gebäudetechnik wie Rollläden oder Jalousien. Bei einem moderaten Ausbautempo dieser Technologien in Wohn- und Nichtwohngebäuden können bis 2025 rund 0,68 Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart werden. Bei einem ambitionierten Ausbau sind diese Potenziale mit 0,7 Millionen Tonnen etwas höher.
Intelligente Sektorenkopplung und Flexibilität:
Mit dem Voranschreiten der Energiewende und dem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien wird die Bedeutung eines zeitlich flexiblen Stromverbrauchs wichtiger. Das heißt, dass etwa Wärmepumpen genau dann Wärme in ein Gebäude einspeichern, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht – und dass das Elektroauto in genau diesen Zeiten der starken Erzeugung von Solar- oder Windkraftenergie seine Batterie auflädt und den Stromüberschuss nutzt. Eine intelligente Sektorenkopplung, die die das eigene Energieangebot von Gebäuden mit verschiedenen Speichermöglichkeiten wie Warmwasser oder die Batterien von E-Autos automatisch abgleicht und steuert, hat große Potenziale, Energie insgesamt einzusparen und den CO2-Ausstoß zu senken. Schreitet der Ausbau der entsprechenden Technologien im heutigen Tempo fort, könnten bis 2030 bis zu 2,3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden – und 3,28 Millionen Tonnen bei einem beschleunigten Ausbau.
„Mithilfe digitaler Technologien können wir enorme Mengen CO2 einsparen – und das in einem schnelleren Tempo und mit geringeren Investitionen als bei der Dämmung oder Sanierung von Gebäuden“, so Rohleder. „Die Studie zeigt aber auch: Wir brauchen eine umfassende Digitalisierungsstrategie für Deutschland. Die Technologien können ihr volles Potenzial für den Gebäudesektor nur entfalten, wenn er mit anderen Sektoren wie Energie oder Verkehr verzahnt ist.“ Dies müsse auch in den laufenden Koalitionsverhandlungen berücksichtigt werden. „Eine konsequente Digitalisierung auch im Gebäudesektor ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Klimapolitik“