Über das Lichtgeschäft in der Corona-Krise und die Möglichkeiten, für alle Partner im dreistufigen Vertrieb Mehrwert zu schaffen, sprach die ElektroWirtschaft mit Roger Karner, seit letztem Sommer Geschäftsführer von Signify in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH). Diese Verantwortung hatte Karner bereits von 2012 bis 2017 inne, ehe er als CEO in die USA berufen wurde. Der gebürtige Österreicher verfügt über langjährige Erfahrung im Großhandel durch die Verantwortung für die Schweizer Aktivitäten und das Europageschäft des Schneider Electric-Konzerns.
ElektroWirtschaft: Wie hat Signify die Corona-Pandemie gespürt? Wie sehen Sie 2021?
Roger Karner: Im Vergleich zu einem weltweiten Umsatzrückgang von 12 Prozent hat sich Signify in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit nur einem einstelligen Minus besser geschlagen. Das zeigt, dass sich der Lichtmarkt in der DACH-Region insgesamt gut hält. Wobei wir die Folgen der Pandemie in den besonders betroffenen Branchen wie Hotellerie, Büros und Museen natürlich spüren. Generell sehe ich aber aktuell genügend Felder, auf denen wir mit innovativen Produkten nach vorne gehen können. Die Installateure sind ja auch weiter voll ausgelastet und ein Shutdown von Baustellen zeichnet sich nicht ab. Die positiven Perspektiven für Signify basieren allerdings auf vielen Jahren permanenter Veränderung und großen Anstrengungen im Unternehmen. Nur so konnten wir unsere Marktführerschaft verteidigen und jedes Jahr rund fünf Prozent unseres Umsatzes in Forschung & Entwicklung investieren.
ElektroWirtschaft: Wo sehen Sie die größten Marktchancen im Licht?
Roger Karner: Wir wollen Mehrwert schaffen mit vernetztem Licht, energieeffizientem Licht und nachhaltigen Lösungen. Für uns und unsere Partner im dreistufigen Vertrieb. Wir waren auf der Light & Building 2014 die ersten, die von Vernetzung – damals mit Fokus auf die Straßenbeleuchtung – gesprochen haben. Heute macht Signify weltweit schon 22 Prozent des Umsatzes mit vernetzten Lösungen. Wir reden nicht nur darüber, sondern wir machen es schon: 2020 hatten wir 77 Millionen vernetzte Lichtpunkte auf der ganzen Welt.
ElektroWirtschaft: Wie kann vernetztes Licht über den Elektrogroßhandel vertrieben werden? Das sind doch oft komplexe High-End-Lösungen?
Roger Karner: Wir wollen Komplexität raus nehmen und dem Großhandel und dem Elektriker vernetzte Lösungen einfacher zur Verfügung stellen. Dafür haben wir Interact Pro entwickelt. Das ist ein lagerfähiges Produkt, das später in diesem Jahrneu auch den Vorteil bieten wird, dass es einfach via App gesteuert und konfiguriert werden und bei Bedarf über eine Bridge in die Cloud eingebunden werden kann für additive Möglichkeiten wie Energieverbrauchsmonitoring. Auch eher klassische Produkte wie z.B. Feuchtraumwannenleuchten gibt es bei uns als „Interact Ready“. Das Steuern, Regeln und Dimmen der Leuchten geht so einfach wie zu Hause bei PhilipsHue: Mit einer App und bei Bedarf über eine Bridge. Die Lösung Interact Pro eignet sich für kleine und mittlere Bürogebäude sowie kleine Industrieanwendungen. Das deckt ungefähr 70 Prozent des Marktvolumens ab – also die Masse der Anwendungen. Wenn der Endkunde noch bestimmte Architekturleuchten anderer Hersteller zusätzlich wünscht, besteht die Möglichkeit, diese einzubinden – über das SRReady- Protokoll.
ElektroWirtschaft: Wie lange wird es noch dauern, bis sich vernetzte Lichtlösungen stärker durchsetzen?
Roger Karner: Das wird sicher noch ein paar Jahre dauern. Aus meiner Erfahrung mit KNX heraus bin zuversichtlich: Es braucht einfach Zeit, bis alle Beteiligten verstehen, dass man sich daran nicht die Finger verbrennt und dass man damit gutes Geld verdienen kann. Ich glaube, dass die Masse des künftigen Geschäfts kleine Lösungen sein werden, die der Elektrogroßhandel auf Lager halten und der Installateur ohne Schulung beherrschen kann. Ein kleinerer Teil der Anwendungen wird durch eine zusätzliche Schnittstelle zum Gebäudemanagement anspruchsvoller. Dafür bieten wir ab der zweiten Jahreshälfte 2021 unser Interact Pro mit der Möglichkeit auf Interact Office hochzustufen und von dem vollen Funktionsumfang der IoT-Lösung zu profitieren.
ElektroWirtschaft: Welche Stimmen hören Sie zum Thema Vernetzung aus dem Elektrogroßhandel? Welche Voraussetzungen müssen für ein erfolgreiches Geschäft geschaffen werden?
Roger Karner: In Gesprächen mit den Entscheidern im Elektrogroßhandel sind wir uns immer einig, dass das Geschäft in diese Richtung läuft. Ein guter Beweis dafür ist, dass der entsprechende Umsatzanteil bei Signify schon bei 22 Prozent liegt. Aber unsere Ansprechpartner im Handel sind natürlich unterschiedlich weit. Die einen haben schon mehr in Lichtspezialisten und Beratungskompetenz investiert. Andere tun sich noch schwerer. Neben technischer Expertise ist es in den Verkaufsgesprächen außerdem wichtig, vermitteln zu können, welcher Mehrwert den höheren Preis rechtfertigt. Bei dieser Kommunikation müssen auch wir Hersteller unterstützen. Das ist kein Selbstläufer.
ElektroWirtschaft: Wie schnell wird sich der Lichtmarkt nach der Corona-Pandemie wieder erholen? Wird es Verzögerungen bei Trends geben?
Roger Karner: Unsere Analyse hat ergeben, dass der globale Lichtmarkt voraussichtlich bis 2023/24 braucht, um auf das Niveau von 2019 zu kommen. Die Marktsegmente werden sich unterschiedlich entwickeln: das Leuchtengeschäft wird sich schneller erholen – auch getrieben durch die Vernetzung. Der Lampenmarkt wird noch stärker zurückgehen. Das sind Prognosen für den Weltmarkt. Deutschland steht deutlich besser da. Abgesehen von Verzögerungen in von der Pandemie stark betroffenen Branchen sehen wir weiter einen klaren Trend zu vernetztem Licht, energieeffi zientem Licht und nachhaltigen Lösungen.
ElektroWirtschaft: Was kann 3D-Druck zum Thema Nachhaltigkeit beitragen und wie weit sind Sie damit?
Roger Karner: Der 3D-Druck von Leuchten ist nachhaltig, weil dafür teilweise Recycling-Material verwendet werden kann und Transportwege entfallen. Wir haben seit einigen Jahren Pilotprojekte laufen und sind jetzt in der Lage, damit auch Spots und Downlights herzustellen. Wir können damit beispielsweise die Ausstattung für einen kompletten Laden liefern. Der Vorteil für diese Art von Anwendung ist die Passgenauigkeit. Die neuen Downlights werden exakt für die Maße der Löcher in der Decke gedruckt. Dies für Massenanwendungen zu skalieren ist jetzt ein weiterer Schritt. Wenn der Elektrogroßhandel einmal in der Lage sein wird, High-Runner selbst zu drucken anstatt sie nachzubestellen, brauchen wir auch keinen Bestellprozess mehr sondern nur die Zahlung einer Royalty Fee pro gedruckter Leuchte. Wie ein Geschäftsmodell, das für alle Sinn macht, genau aussehen wird, diskutieren wir noch mit unseren Partnern. Das wird sich über die Zeit entwickeln. Fakt ist aber, dass Signify damit heute weltweit schon Millionenumsätze macht und Millionen Stück produziert, weil wir in der Vergangenheit massiv in Ressourcen investiert haben.
ElektroWirtschaft: Bei einem Round-Table für die Presse haben Sie aus einer Studie zitiert, dass 49 Prozent der Deutschen bereit sind, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen? Stimmt das auch im professionellen Bereich?
Roger Karner: Die Studie von InRiver von 2019 zeigt, dass private Endanwender in Deutschland schon zu 19 Prozent ausschließlich nachhaltige Produkte kaufen. 71 Prozent tun dies gelegentlich. Dass rund die Hälfte bereit ist, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen ist natürlich eine wichtige Aussage. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich gesellschaftliche Veränderungen zuerst bei den Endkonsumenten zeigen und sich dann nach und nach auch im professionellen Segment etablieren. Genau das passiert jetzt. Viele Endkunden schauen bei Ausschreibungen schon ganz genau auf das Nachhaltigkeitskonzept der Hersteller. Manche vergeben sogar Aufträge nur, wenn bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllt wurden. Deshalb sind wir stolz und froh, dass wir als Signify schon so viel im Bereich Sustainability erreicht haben und seit 2020 komplett CO2 neutral sind. Hier sehen wir auch ein interessantes Potential für Mehrwert im dreistufi gen Vertriebsweg.
ElektroWirtschaft: Sie haben UV-C-Technologie in Leuchtturmprojekten wie Edeka Clausen in Hamburg und in den Spielerkabinen beim RB Leipzig eingesetzt (wie in Heft 01/2021 der ElektroWirtschaft im Special Hygiene & Gesundheit beschrieben). Wann werden Sie standardisierte Geräte anbieten, die auch der Elektrogroßhandel vertreibt?
Roger Karner: Wir setzen auf sogenannte „Upper-Air- Lösungen“ – also Geräte, die an der Decke montiert werden. Aufgrund der Luftbewegungen im Raum, kommt jedes Aerosol irgendwann unter der Decke vorbei und kann dort mit UV-C Wellen bestrahlt werden. Das hilft gegen Covid-19 und Grippeviren ebenso wie gegen Bakterien und Keime. Eine gute Lösung für Schulen, den Lebensmitteleinzelhandel oder auch Bankfilialen. Wir sind gerade dabei, zusätzliche Produkte zu entwickeln, bei denen kein UV-Licht aus den Leuchten herausgestrahlt wird (was eine Planung und Gefährdungsüberprüfung vor Ort erfordert) sondern, die die Luft einsaugen und im Gerät reinigen. Signify hat die Kapazitäten für UV-C-Lösungen verachtfacht. Nachhaltige Luftreinigung ist für uns ein Zukunftsthema und ich denke Covid-19 wird nicht unsere letzte Pandemie sein. Geräte ohne offene Strahlung, die man einfach nur aufhängt und anschließt, können – neben Desinfektionskammern – interessante Produkte für den Elektrogroßhandel werden.
ElektroWirtschaft: Wie beurteilen Sie die Bedeutung des dreistufi gen Vertriebs für Signify?
Roger Karner: Signify und ich als Person stehen für den dreistufi gen Vertrieb. Der Elektrogroßhandel ist und bleibt der Partner unseres Vertrauens. Daran wird sich nichts ändern. Bei allen Trends im Lichtgeschäft überlegen wir immer, wie wir Produkte zur Massenanwendung großhandelstauglich machen können.
ElektroWirtschaft: Wie stehen Sie zu Messen in diesem und nächstem Jahr?
Roger Karner: Wir haben 2020 weltweit eine eigene virtuelle Messe veranstaltet. Das lief erstaunlich gut, aber kann natürlich persönliche Kontakte nicht ersetzen. Andererseits kann ich mir gerade gar nicht vorstellen, wie eine Light + Building 2022 mit so vielen Menschen aus der ganzen Welt auf einem Fleck stattfinden soll. Ich denke, wir alle müssen Schritt für Schritt beobachten, wie sich die Pandemie weiterentwickelt. Bezüglich Regionalmessen in Deutschland sehe ich für 2022 eher eine realistische Chance. Das Einzige, was ich für sicher halte: Es wird nicht mehr so wie vorher! Aber wie das neue Normal für nationale und internationale Messen aussieht, müssen wir abwarten und dann die beste Lösung finden.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der März-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Als Printabonnent haben Sie fünf Zugriffe auf die digitale Ausgabe inklusive. Stöbern Sie ansonsten in unserem Shop. Übrigens: Das Licht-Special steht Ihnen digital kostenfrei zur Verfügung!