Immer mehr Menschen entdecken die Chancen Künstlicher Intelligenz und wünschen sich ihren Einsatz in fast allen Lebensbereichen. Eine Mehrheit rechnet damit, dass KI die Gesellschaft bereits in den kommenden fünf Jahren spürbar verändern wird, und fordert, dass die Technologie stärker kontrolliert wird. Das ist das Ergebnis einer telefonischen Befragung von 1.004 Personen ab 16 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Demnach sagen nur noch fünf Prozent, dass sie noch nie etwas von KI gehört oder gelesen haben. Vor zwei Jahren waren es noch zwölf Prozent, vor drei Jahren sogar 22 Prozent. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) ist überzeugt, mindestens gut erklären zu können, was KI bedeutet (2018: 40 Prozent). Zugleich sagen inzwischen mehr als zwei Drittel (68 Prozent), dass sie KI vor allem als Chance sehen. Vor drei Jahren war es mit 48 Prozent erst eine Minderheit, 2018 lag der Anteil bei 62 Prozent. „Wer besser informiert ist sieht auch die Chancen von Künstlicher Intelligenz“, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg heute bei der Vorstellung der Studie.
Drei Viertel wünschen sich eine deutsche Führungsrolle bei KI
Das zunehmende Wissen über KI dürfte auch damit zusammenhängen, dass bereits heute eine große Mehrheit im Alltag KI-Anwendungen nutzt. An der Spitze stehen dabei Textvorschläge beim Nachrichtenschreiben (68 Prozent), Routenvorschläge bei der Navigation (62 Prozent) und Sprachassistenten auf dem Smartphone (60 Prozent). Aber auch Titelempfehlungen beim Streaming (44 Prozent), automatische Übersetzungen (42 Prozent), Fahrassistenzsysteme im Auto (39 Prozent) oder Kaufempfehlungen in Online-Shops (34 Prozent) werden bereits häufig bewusst eingesetzt. Jeder Fünfte (20 Prozent) verwendet die Gesichtserkennung zur Entsperrung des Smartphones, jeder Achte (zwöf Prozent) die Gesichtserkennung für Fotos, um Personen leichter zu finden.
Die Bürger sehen eine herausragende Bedeutung von KI für Wirtschaft und Wohlstand. So gehen zwei Drittel (66 Prozent) davon aus, dass KI die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken wird. Und drei Viertel (75 Prozent) fordern, dass Deutschland bei der Entwicklung und der Vermarktung von KI-Anwendungen eine weltweite Führungsrolle einnehmen soll. Zugleich wünscht sich eine große Mehrheit (85 Prozent) eine sichere KI und verlangt, dass KI-Systeme in Deutschland besonders gründlich geprüft und erst nach Zulassung in Geräten genutzt werden können. Nur eine Minderheit von 44 Prozent möchte in Deutschland bestimmte KI-Anwendungen verbieten. „Die Menschen erkennen, welch entscheidende Rolle KI in der Zukunft spielen wird. Statt Verboten wünschen sie sich Kontrolle und Sicherheit“, so Berg. „KI-Anwendungen fallen bereits heute unter bestehende Regelungen wie Antidiskriminierungs- und Datenschutzvorschriften. Jetzt gilt es Vorgaben für besonders sicherheitskritische Produkte konsequent umzusetzen und bei Bedarf an KI-spezifische Risiken anzupassen. Neue Gesetze brauchen wir für KI nicht.“
In der Arbeitswelt dominieren Ängste vor Kontrolle und Jobverlust
Skeptisch sind die Menschen beim KI-Einsatz in ihrem Arbeitsalltag. 44 Prozent sehen in diesem Bereich vor allem Gefahren durch KI. Rund drei Viertel (73 Prozent) befürchten eine stärkere Kontrolle der Beschäftigten durch KI, zwei Drittel (65 Prozent) den Verlust von Arbeitsplätzen. Fast jeder Zweite (45 Prozent) glaubt, dass KI dabei hilft, im Job Fehler zu vermeiden. Ebenso viele gehen davon aus, dass langweilige Routinetätigkeiten reduziert werden und so mehr Freiraum für interessantere Aufgaben bleibt.
Was den KI-Einsatz in der Personalauswahl angeht, so ist die Bevölkerung gespalten. Die eine Hälfte (49 Prozent) befürchtet, dass eine KI einen Bewerber ohne sachlichen Grund ablehnt, zum Beispiel weil der Algorithmus bestimmte Personen diskriminiert. Auf der anderen Seite geben aber mit 44 Prozent fast ebenso viele an, dass sie eher befürchten, ein menschlicher Personalverantwortlicher würde Bewerber ohne sachlichen Grund ablehnen, zum Beispiel weil er Vorurteile gegenüber Alter, Geschlecht oder Herkunft hat. Berg: „Die intensive öffentliche Diskussion um diskriminierende Algorithmen spiegelt sich eins zu eins in den Befragungsergebnissen wider. Dabei ist KI in Personalabteilungen so gut wie nicht zu finden. Weniger als ein Prozent der Unternehmen setzen derzeit KI bei der Bewerberauswahl ein.“
KI-Warnsysteme und autonome Fahrzeuge werden unsere Mobilität prägen
Besonders große Erwartungen gibt es beim KI-Einsatz im Verkehr. Drei Viertel (76 Prozent) gehen davon aus, dass sich KI-unterstützte Warnsysteme im Auto bereits in den kommenden zehn Jahren durchgesetzt haben werden, 38 Prozent rechnen sogar mit einem Durchbruch binnen fünf Jahren. Zwei Drittel (66 Prozent) erwarten, dass innerhalb von zehn Jahren KI für uns optimale Routen über verschiedene Verkehrsmittel hinweg planen wird. Bei selbstfahrenden Fahrzeugen gibt es sehr unterschiedliche Erwartungen. 60 Prozent rechnen innerhalb von zehn Jahren mit dem Durchbruch selbstfahrender Busse auf unseren Straßen. Aber nur 44 Prozent erwarten selbstfahrende U- oder S-Bahnen, 39 Prozent Fernzüge und 37 Prozent selbstfahrende Lieferwagen für Warentransporte. Selbst autonome Autos können sich 30 Prozent innerhalb von zehn Jahren auf deutschen Straßen vorstellen, acht Prozent erwarten autonome Autos sogar innerhalb der nächsten fünf Jahre im Straßenverkehr. Ganz anders sieht es im Luftverkehr aus: Gerade einmal sechs Prozent meinen, dass autonome Flugzeuge in den nächsten zehn Jahren Passagiere transportieren werden.
Gerade bei KI-gesteuerten Autos sehen die Bürger nicht nur Vorteile. So sagt nur jeder Dritte (36 Prozent), selbstfahrende Autos würden schwere Unfälle und viele Tote vermeiden. Aber deutlich mehr (57 Prozent) gehen davon aus, dass es durch selbstfahrende Autos vermehrt zu schweren Unfällen mit vielen Toten kommen wird. „In der Vergangenheit wurde ausführlich über fast jeden schwereren Unfall eines selbstfahrenden Test-Autos berichtet. Das hat sich offensichtlich in den Köpfen festgesetzt“, sagte Berg. „Dabei ist gerade die zusätzliche Sicherheit einer der wichtigsten Gründe für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge.“ Wie die amtliche Unfallstatistik zeigt, werden aktuell neun von zehn Unfällen mit Verletzten oder Toten in Deutschland durch menschliches Fehlverhalten verursacht wie zum Beispiel überhöhte Geschwindigkeit, zu geringer Abstand oder Missachtung der Vorfahrt. Berg: „Selbst wenn KI die Fahrzeuge nicht sofort völlig unfallfrei steuern wird, könnte ein Großteil solcher schwerer Unfälle vermieden werden.“
Spürbare Veränderungen durch KI in den kommenden fünf Jahren
Eine Mehrheit der Bürger (53 Prozent) ist sich sicher, dass Künstliche Intelligenz bereits in den kommenden fünf Jahren die Gesellschaft spürbar verändern wird. Jeder Vierte (24 Prozent) glaubt dabei, dass KI dies bereits heute tut. Vor zwei Jahren waren nur 41 Prozent der Auffassung, dass innerhalb von fünf Jahren KI für entsprechende Veränderungen sorgen wird. „Wenn die Politik über Künstliche Intelligenz diskutiert, geht es häufig gar nicht so sehr um die Technologie und ihre Auswirkungen, sondern um grundsätzlichere gesellschafts- und wirtschaftspolitische Positionen und Verteilungsfragen“, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung und sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Deutschen Bundestages. „Die Arbeit in der Enquete-Kommission hat gezeigt: Diese Auseinandersetzung um gesellschaftspolitische Fragen kann nicht mit gesetzlicher Regulierung einer Technologie gelöst werden.“ Vor allem lasse sich etwas, das es noch gar nicht in der Breite gebe, nicht sinnvoll regulieren. „Regulierung kann die Erfahrung im Umgang mit einer Technologie nicht vorwegnehmen“, so Dehmel. „Wir müssen uns Gedanken machen, wo der Einsatz von KI Systemen besonders sinnvoll ist und gefördert werden sollte. Eine risikoorientierte Ex-ante-Regulierung birgt in sich selbst große Risiken, indem sie die enormen Potentiale innovativer KI in Deutschland verschließt. “
Künstliche Intelligenz: Datenverfügbarkeit muss Datensparsamkeit als Leitbild ablösen
Bei der Frage, ob der KI-Einsatz vorankommt und ob Deutschland eine weltweite Führungsrolle bei Künstlicher Intelligenz einnehmen kann, kommt nach Ansicht des Bitkom dem Umgang mit Daten eine entscheidende Bedeutung zu. „Datenverfügbarkeit und Datensouveränität müssen als Leitbild die Datensparsamkeit ersetzen“, sagte Bitkom-Präsident Berg. „Wir müssen in Deutschland und Europa Regeln schaffen, die datenbasierte Innovationen wie KI im Interesse der Bürger, der Unternehmen und der Verwaltung erleichtern.“ Zugleich zeugten Forderungen nach einer eigenständigen KI-Regulierung von einem falschen Bild von Künstlicher Intelligenz. „KI ist eine Technologie und wir sollten wie bisher auch möglichst technologieneutrale Gesetze machen. Regulierung sollte immer eine Anwendung und ihre Auswirkungen betreffen, nicht die Technologie als solche“, betonte Berg. „In den Fällen, wo KI-Anwendungen in Hochrisikobereichen zum Einsatz kommen, muss konsequent an bestehende Regulierung und die bestehenden institutionellen Strukturen des jeweiligen Sektors angeknüpft werden. Wir brauchen keinen Algorithmen-Tüv und zum Beispiel auch keine gesonderte KI-Finanzaufsicht, sondern die Finanzaufsicht muss KI-Anwendungen mit in den Blick nehmen.“