Digitalisierung und Automatisierung bringen bis zum Jahr 2021 zwar ein moderates Beschäftigungswachstum in Deutschland mit sich, verursachen voraussichtlich aber auch eine steigende Einkommensungleichheit unter Arbeitnehmern/-innen. Entgegen der verbreiteten öffentlichen Wahrnehmung schafft der technologische Wandel perspektivisch mehr Arbeitsplätze, als er zerstört. Von zentraler Bedeutung ist allerdings weniger die Anzahl der betroffenen Jobs, sondern der Strukturwandel am Arbeitsmarkt, der sich mit voranschreitender Digitalisierung und Automatisierung vollzieht.
Zu diesen Ergebnissen kommt ein Forschungspapier, das Wissenschaftler/innen am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn erstellt haben. In ihrem Papier haben die Autoren/-innen verschiedene Szenarien zu den Folgen der Digitalisierung für den deutschen Arbeitsmarkt simuliert. Datengrundlage ist die repräsentative IAB-ZEW-Arbeitswelt 4.0-Befragung, die das ZEW in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unter rund 2.000 Produktions- und Dienstleistungsbetrieben durchgeführt hat. Die Befragung umfasst Unternehmen, die im Zeitraum der Jahre 2011 bis 2016 bereits in Spitzentechnologien investiert haben. Das ZEW-Papier untersucht nun, wie Volkswirtschaft und Arbeitsmarkt in Deutschland künftig auf die Einführung dieser neuen Technologien reagieren.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Pläne der Unternehmen, auch in Zukunft weiter in digitale und automatisierte Arbeitsprozesse zu investieren, leicht positiv auf die Beschäftigung in Deutschland auswirken. Besagte Investitionen führen demnach im Zeitraum von 2016 bis 2021 zu einem Jobwachstum von insgesamt 1,8 Prozent. Dieses Plus speist sich allerdings nicht aus einer steigenden Nachfrage nach den Produkten der Unternehmen. Vielmehr wirken neue Technologien in den Betrieben auf Arbeitskräfte eher komplementär als substituierend, das heißt: "Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung sorgt dafür, dass Unternehmen zunächst eher zusätzliche Beschäftigte brauchen und einstellen werden, um die neuen Technologien einzuführen, als Personal abzubauen", erklärt Dr. Ulrich Zierahn, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich "Arbeitsmärkte und Personalmanagement" sowie Mitautor des Papiers.
"Die vielfach prognostizierte Massenarbeitslosigkeit aufgrund des technologischen Wandels ist also unwahrscheinlich", so Zierahn. Die strukturelle Veränderung auf dem Arbeitsmarkt wird daher nicht so sehr in der reinen Anzahl der neu entstehenden oder wegfallenden Arbeitsplätze sichtbar werden, sondern sich vor allem in den einzelnen Arbeitsinhalten der Unternehmensangestellten niederschlagen.
Digitalisierung und Automatisierung verschärfen die Einkommensungleichheit
Den Wissenschaftlern/-innen zufolge haben Jobs, die ein hohes Maß an interaktiven und analytischen Fähigkeiten voraussetzen, ein geringeres Automatisierungspotenzial als Jobs, die hauptsächlich von Routinetätigkeiten geprägt sind. Komplexere Tätigkeiten sind im Durchschnitt häufig besser bezahlt als Routinejobs. Entsprechend stellen die Forscher/innen fest, dass sehr gut (aus)gebildete und entlohnte Arbeitskräfte eher vom technologischen Wandel profitieren, als mittel bis gering gebildete und bezahlte Arbeitskräfte. "Digitalisierung und Automatisierung verschärfen die Einkommensungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt", sagt Ulrich Zierahn.
"Die Betriebe in Deutschland befinden sich gegenwärtig in einer Investitionsphase. Bis sich neue technologische Entwicklungen im betrieblichen Alltag durchsetzen und für eine höhere Produktivität sorgen, braucht es eine gewisse Zeit. Der Weg dahin ist natürlich kostenintensiv. Die Politik kann hier mit gezielten Maßnahmen Unterstützung bieten und so den Unternehmen helfen, langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben", fasst Ulrich Zierahn zusammen.
Quelle: ZEW