Der Krieg Russlands gegen die Ukraine bereitet auch dem deutschen Mittelstand große wirtschaftliche Sorgen. Das verdeutlicht eine repräsentative Umfrage der DZ BANK, in der mehr als 1.000 Geschäftsführer und Entscheider zu den Auswirkungen der geopolitischen Lage in Osteuropa befragt wurden. Die Ergebnisse zeigen: Vier von fünf mittelständischen Unternehmen sehen sich gezwungen, ihre Absatzpreise zu erhöhen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs zu bewältigen.
Besonders dramatisch ist die Lage in der Elektroindustrie und im Ernährungsgewerbe. Dort gaben jeweils fast 90 Prozent der Befragten an, die eigenen Preise nach oben korrigieren zu müssen. Auch im Handel, im Metall-, Kfz- und Maschinenbausektor sowie in der Chemiebranche ist mit jeweils 85 Prozent die überwältigende Mehrheit der Mittelständler darauf angewiesen, höhere Kosten an ihre Kunden weiterzureichen. Größere Unternehmen ab 50 Millionen Euro Umsatz sind dabei tendenziell stärker betroffen (87 Prozent) als kleinere mit einem Umsatz unter 25 Millionen Euro (78 Prozent).
Lieferengpässe und hohe Kosten für Vorprodukte und Treibstoff
Grund für den Preisdruck sind vor allem zwei Entwicklungen. Zum einen stellen Lieferengpässe mittlerweile 77 Prozent der Mittelständler vor große Herausforderungen – insbesondere aus dem Handel (88 Prozent), aus der Chemiebranche und aus der Elektroindustrie (je 86 Prozent). Damit hat sich die ohnehin angespannte Lage deutlich zugespitzt.
Zum anderen sorgen steigende Kosten für Vorprodukte, Treibstoffe und andere Rohstoffe dafür, dass die Firmen ihre Preise nicht mehr halten können. Teure Vorprodukte bereiten mittlerweile mehr als jedem zweiten Mittelständler große Sorgen. Auffällig sind hierbei große Branchenunterschiede: Während die Industrieunternehmen überdurchschnittlich stark leiden (Chemie: 76 Prozent, Elektro: 63 Prozent, Metall-, Kfz- und Maschinenbau: 62 Prozent), ist in der Dienstleistungsindustrie weniger als jeder Dritte betroffen. Höhere Treibstoffkosten machen insgesamt rund 55 Prozent der Firmen zu schaffen, vor allem aber der Agrarbranche (80 Prozent) und dem Baugewerbe (73 Prozent).
„Russlands Krieg gegen die Ukraine beeinträchtigt eine Vielzahl an mittelständischen Unternehmen. Viele von ihnen kämpfen bereits seit der Corona-Pandemie mit Lieferengpässen und hinken seitdem beim Abarbeiten von Aufträgen hinterher”, mahnt Stephan Ortolf, Leiter des Firmenkundenzentralbereichs der DZ BANK. „Dass zusätzlich dazu die Produktion immer teurer wird, ist für einige Unternehmen existenzbedrohend. Wenn sie die Absatzpreise nicht entsprechend erhöhen, kommt der Motor der deutschen Wirtschaft zum Erliegen.“
Öl- und Gaspreise bislang vergleichsweise unkritisch
Gestiegene Öl- und Gaspreise machen derzeit noch überraschend wenig Unternehmen Sorgen. Nur jeder dritte Befragte gab an, dass die Preise für die bislang vor allem aus Russland importierten Energieträger Probleme bereiten. Lediglich die Unternehmen aus der Agrar- und der Ernährungsbranche sehen sich bereits unter großem Druck. So leiden etwa 65 Prozent der befragten Agrarbetriebe schon heute unter den hohen Ölpreisen; jeder zweite Mittelständler aus dem Ernährungsgewerbe beklagt hohe Gaskosten.
„Je weiter sich der Konflikt zwischen Russland und dem Westen durch den Krieg in der Ukraine zuspitzt, desto mehr laufen wir Gefahr, bei Öl und Gas einen Versorgungsnotstand zu erleiden“, sagt Stephan Ortolf. „Die Unternehmen sind darauf angewiesen, dass die Politik Lösungen zur alternativen Energieversorgung findet und nachhaltig sichert – und das besser heute als morgen. Die Folgen des Kriegs sind ansonsten dramatischer für viele Mittelständler als die der Corona-Pandemie.“