Russland ist in die Ukraine einmarschiert. Zehntausende Menschen sind auf der Flucht vor dem Krieg und jeden Tag häufen sich die Nachrichten von neuen Anschlägen. “Es ist ein dunkler Tag für Europa”, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz am 24. Februar in einer Pressekonferenz. Insbesondere die Verletzung des Völkerrechts wird auf das Schärfste verurteilt. Doch auch für die Weltkonjunktur hat dieser Krieg Folgen. Russland ist der größte Energielieferant Deutschlands. Fast die Hälfte des deutschen Gas- und Ölbedarfs werden aus russischen Lieferungen gedeckt. Daneben bezieht die deutsche Wirtschaft in erheblichem Umfang Nichteisen-Metalle sowie Eisen und Stahl aus Russland. Wie geht es nun weiter und was sagt die Elektrobranche? Wir haben uns bei den Verbänden und in der Elektroindustrie umgehört: Was sagt die Branche zur aktuellen Situation?
ElektroWirtschaft: Der Einmarsch Russlands in die Ukraine macht ganz Europa fassungslos. Die Verletzung des Völkerrechts wird aufs Schärfste verurteilt und die Drohungen aus Russland schwächen nicht ab. Auch für die Weltkonjunktur wird dieser Krieg immense Herausforderungen bringen. Welche Auswirkungen wird er auf die E-Branche haben? Haben Sie Produktionsstätten und/oder Niederlassungen in den betroffenen Gebieten und welche Maßnahmen werden Sie dort treffen (aus menschlicher und wirtschaftlicher Sicht)?
Ferdinand Schlutius, Co-CSO ABL:
„Die aktuellen Meldungen aus der Ukraine erschüttern und die sich zuspitzende Lage der ukrainischen Bürgerinnen und Bürger macht uns alle betroffen. Für die E-Branche, Deutschland und ganz Europa ist die Situation ein Warnschuss, noch schneller als bisher geplant auf erneuerbare Energien umzusteigen.
Corona hat uns in den letzten beiden Jahren bereits schmerzhaft aufgezeigt, wie abhängig wir von ausländischen Zulieferern sind. Jetzt wird einmal mehr deutlich, dass wir auch hinsichtlich unserer Energieversorgung in einem starken Abhängigkeitsverhältnis stehen. Nur eine Unabhängigkeit in Energiekonzepten sichert unsere politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und garantiert damit mittel- und langfristig den Fortbestand des europäischen freiheitlich demokratischen Wertesystems.“
Christopher Mennekes, geschäftsführender Gesellschafter MENNEKES, und Philipp C. Hensel, Geschäftsführer der Gustav Hensel GmbH & Co. KG:
„Der unsinnige Krieg in der Ukraine macht uns gleichermaßen betroffen und sprachlos. Erste Auswirkungen auf unsere Unternehmen sind schon da: Die Geschäftsbeziehungen mit unserem russischen Joint Venture werden durch die Sanktionen wohl vorerst zum Erliegen kommen. Eine fatale Nachricht für unsere Mitarbeiter, mit denen wir noch am Montag gesprochen hatten, und die wir so gut es geht unterstützen wollen. Noch sondieren wir die unübersichtliche Lage und suchen gemeinsam nach Lösungen.
Erneut sind nun weltwirtschaftliche Verwerfungen zu erwarten, nachdem wir alle uns nach einer Normalisierung nach Corona gesehnt hatten. Hoffnung hingegen macht die an so vielen Stellen gezeigte Geschlossenheit unserer demokratischen Wertegemeinschaft. Wir alle sind aufgefordert, sie in unseren jeweiligen Einflussbereichen zu leben und für die Grundlagen unseres wirtschaftlichen Handelns, Frieden und Freiheit, einzustehen.“
Paul Sebastian Schwenk, Vorstandsvorsitzender der Theben AG:
“Putins Befehl zum Einmarsch in die Ukraine stimmt fassungslos und muss aufs Schärfste verurteilt werden. Dies ist ein dunkler Moment in der Geschichte Europas. Unsere Gedanken sind in diesen Tagen beim gesamten ukrainischen Volk.
Theben ist in den betroffenen Regionen nur wenig aktiv. Dennoch beobachten wir sehr genau, wo wir ggf. auch indirekt betroffen sind und vor allem aber, wo und wie wir möglicherweise einen Beitrag leisten können.
Die Auswirkungen auf die Weltkonjunktur und speziell auf die E-Branche lassen sich aktuell noch nicht konkret bewerten. Letztendlich werden wir alle mindestens beim Thema Energie bereits kurzfristig die Auswirkungen zu spüren bekommen. Wir sehen, dass der Bedarf seitens Politik und Gesellschaft an einer sicheren, intelligenten und nachhaltigen Energieinfrastruktur in den kommenden Jahren weiter zunimmt.”
Rada Rodriguez, Geschäftsführerin von Signify DACH:
„Welche Auswirkungen der Konflikt auf den Elektromarkt hat, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Mögliche Auswirkungen auf das Geschäft von Signify werden derzeit von uns geprüft. Wir haben sowohl in Kiew als auch in Moskau einen Firmensitz. Produktionsstätten gibt es in keinem der betroffenen Gebiete.
Generell stehen wir in engem Austausch mit unseren Kollegen aus der Ukraine und kümmern uns um ihr Wohlbefinden und die Sicherheit ihrer Familien. Derzeit unterstützen wir die Evakuierung von Mitarbeitern unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände und organisieren den Transfer, die Unterbringung und Bereitstellung von Ressourcen für Familien, die nach Polen kommen. Darüber hinaus unterstützen wir auch unsere ukrainischen Kollegen, die in Polen und Ungarn arbeiten, indem wir Familienzusammenführungen ermöglichen und bei Bedarf Umzüge organisieren. Der Betrieb unseres Firmensitzes in Kiew wurde aus Sicherheitsgründen vollständig eingestellt. Zudem wurden bereits in die Ukraine versandte Lieferungen zu anderen Standorten umgeleitet.”
Auf Anfrage der ElektroWirtschaft hat uns die Siemens AG folgendes Statement zukommen lassen:
„Siemens verurteilt den Einmarsch in die Ukraine, der eine eindeutige Verletzung des Völkerrechts darstellt. Gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft sprechen wir uns für Frieden aus.
Wir sind sehr besorgt um das Wohl unserer Kollegen in der Ukraine und das ihrer Familien. Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um sie zu unterstützen. Die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter steht an höchster Stelle.
Wir unterstützen die scharfen, breit angelegten Sanktionen, die von den westlichen Regierungen erlassen wurden, und stellen sicher, dass wir im Einklang mit diesen handeln. Wir halten uns bei unseren Geschäftsaktivitäten in und mit Russland an geltendes Recht sowie an die geltenden Exportkontrollrichtlinien und an das geltende Sanktionsrecht.“
Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie auf dem Laufenden halten. Weitere Unternehmen aus der Elektroindustrie wurden angefragt. Einige Hersteller haben aufgrund der hochpolitischen Situation ein Statement abgelehnt.
Das sagen die Verbände
Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung:
“Russlands Angriff auf die Ukraine ist ein Desaster. Wir verurteilen diese Verletzung des Völkerrechts aufs Schärfste. Die Ukraine und ihre Menschen verdienen unsere Unterstützung und Solidarität.
Vorrangiges Ziel muss es jetzt sein, die Kriegshandlungen zu stoppen. Dazu muss die EU geschlossen und entschlossen auf die Aggressionen Russlands reagieren, in engem Schulterschluss mit Bündnispartnern wie den USA. Der ZVEI unterstützt das Primat der Politik – sie entscheidet über angemessene Sanktionen. Ihre Auswirkungen auf die Elektro- und Digitalindustrie können derzeit noch nicht abgeschätzt werden.”
Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks:
“Der Angriff Russlands auf die Ukraine erschüttert zutiefst und die Solidarität des Handwerks ist bei den Menschen in der Ukraine. Zahlreiche Menschen mit ukrainischen Wurzeln sind in unseren Betrieben beschäftigt.
Wir unterstützen alle Maßnahmen der Bundesregierung und der internationalen Gemeinschaft, die darauf zielen, die Kampfhandlungen zu beenden – zuvorderst natürlich um Menschenleben zu retten, aber auch, damit wieder ein friedliches Leben und Arbeiten möglich wird.
Handwerksbetriebe sind sehr standortverbunden. Sie bieten Verlässlichkeit. Und sie brauchen Verlässlichkeit. Dazu gehört ein geopolitisch stabiles Umfeld. Dass sich etwa die Störung von Lieferketten, Engpässe bei Materialien oder steigende Energiepreise unmittelbar auf unsere Betriebe auswirken, haben die vergangenen Monate gezeigt.”
BDI-Präsident Siegfried Russwurm und Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall:
„Der Angriffskrieg von Wladimir Putin gegen die Demokratie in der Ukraine erzeugt unfassbares menschliches Leid für die ukrainische Bevölkerung. Dieser Krieg ist ein beispielloser Angriff auf die europäische Friedensordnung, die auf Freiheit, Menschenrechten, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit basiert. Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine. Die Zivilbevölkerung muss jetzt die humanitäre Unterstützung bekommen, die sie braucht.
Dieser eklatante Bruch des Völkerrechts, die Missachtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker sowie der ungeheuerliche Akt der Aggression gegen die Zivilbevölkerung erfordern eine unmissverständliche Antwort in Form umfassender Sanktionen gegen die Verantwortlichen dieser Aggression. Wir fordern die russische Regierung auf, alle Angriffe einzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Die Spitzenvertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und der Industriegewerkschaft Metall, die auch Mitbegründer des Bündnisses „Zukunft der Industrie“ sind, unterstützen mit Nachdruck die von der Bundesregierung, der Europäischen Union und den westlichen Bündnispartnern verhängten Sanktionsmaßnahmen gegen Russland. Diese Sanktionen können auch zu Nachteilen für Deutschland, seine Unternehmen und Beschäftigten führen, die wir gemeinsam mit der Politik so weit wie möglich abfedern müssen. Wir sind davon überzeugt, dass nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg nur auf der Grundlage von Frieden, Freiheit und Demokratie erreichbar ist, und sind bereit, unseren Beitrag hierfür zu leisten.“