In den zwei bisherigen Corona-Jahren gab es in Deutschland einen Wertschöpfungsausfall in Höhe von rund 350 Milliarden Euro. Dabei kam es über die vergangenen acht Quartale zu Konsumeinbußen von 270 Milliarden Euro. Hätte es die Pandemie nicht gegeben, dann wären die Investitionen um rund 60 Milliarden Euro höher ausgefallen. Pandemiebedingte Staatsausgaben und vor allem der Außenhandel dämpften im zweiten Corona-Jahr die gesamtwirtschaftlichen Einbußen merklich ab.
Es ist nunmehr zwei Jahre her, seitdem die Corona-Pandemie auch in Deutschland angekommen ist. Im Februar 2020 wurde mehr und mehr ersichtlich, dass auch die deutsche Volkswirtschaft infolge des sich über den Globus schnell ausbreitenden Virus in ihrer vollen Breite betroffen sein wird (Grömling, 2020). Auf der Angebotsseite wurden im Frühjahr 2020 die Wertschöpfungsketten und Produktionsprozesse enorm gestört, weil die globale Logistik eingeschränkt war und zum Teil essenzielle ausländische und inländische Zulieferungen ausblieben. Beschäftigte konnten aufgrund von eigener Erkrankung, privaten Einschränkungen infolge geschlossener Kindergärten und Schulen sowie gesundheitlichen Vorsichtsmaßnahmen nicht in der gewohnten Weise ihrer Arbeit nachgehen. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag im zweiten Quartal 2020 um gut 11 Prozent unter dem entsprechenden Vorjahresniveau. Betriebliche Flexibilität, etwa durch Homeoffice, konnte noch stärkere Einbußen vermeiden. Die inländische Nachfrage sank aufgrund der Lockdown-Maßnahmen, beispielsweise durch die Schließung von Restaurants und Teilen des Handels, und der Investitionszurückhaltung infolge der hohen Verunsicherungen. Konjunkturprogramme trugen dazu bei, Beschäftigung und Einkommen im Inland zu stabilisieren. Zudem gingen im Frühjahr 2020 die Geschäfte mit dem Ausland zunächst stark zurück. Die schnelle und kräftige Erholung beim Welthandel und bei den deutschen Exporten trug dann aber zu einem vorerst schnellen Re-Start der deutschen Industrie im dritten Quartal 2020 bei.
Die Hoffnung auf eine anhaltende Erholung wurde in den vergangenen beiden Jahren jedoch aufgrund neu aufflammender Infektionswellen immer wieder erschüttert: Zunächst würgte die zweite Welle zum Jahresende 2020 die Erholung ab, vor allem bei den personennahen Dienstleistungen. Eine erneute Erholung konnte erst nach dem Abklingen der dritten Welle im Frühsommer 2021 einsetzen und dem Dienstleistungssektor insgesamt gesehen gelang es sogar, mit seiner realen Bruttowertschöpfung im dritten Quartal 2021 auf das Vorkrisenniveau vom vierten Quartal 2019 zurückzukehren. Die vierte Welle ab Herbst 2021 und der nahtlose Übergang in die fünfte Welle setzen das Stop-and-go in den besonders gefährdeten Servicebereichen nun im ersten Quartal 2022 erneut fort.
Industrie
In der Industrie kam die zunächst kräftige Erholung nach dem ersten Schock – die Industrieproduktion lag im April 2020 um 30 Prozent unter dem Jahresdurchschnitt 2019 – bereits im vierten Quartal 2020 wieder zum Erliegen. Zunehmende Produktionsstörungen infolge fehlender Zulieferungen führten das Verarbeitende Gewerbe in eine erneute Rezession. Lag die Produktionslücke der Industrie (im Vergleich zum Jahresdurchschnitt 2019) zum Jahresende 2020 noch bei knapp vier Prozent, so waren es Ende 2021 wieder rund 7,5 Prozent. Vor allem in der Automobilindustrie sorgten fehlende Bauteile für einen nochmals gewaltigen Einbruch. Ganze Automobilwerke mussten geschlossen werden und die entsprechende Produktionslücke (gegenüber 2019) öffnete sich vom Jahresende 2020 von gut zehn Prozent bis zum Herbst 2021 auf über 30 Prozent. Die Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft vom November 2021 deutet darauf hin, dass diese angebotsseitigen Einschränkungen infolge fehlender Zulieferungen die gesamte Industrieproduktion auch in 2022 belasten werden (Bardt/Grömling, 2021).
Wirtschaftliche Schäden wurden aufgebaut
Infolge der starken Einbrüche im Frühjahr 2020 und der immer wieder eingetretenen Rückschläge haben sich mittlerweile erhebliche wirtschaftliche Schäden der Pandemie und der in diesem Kontext aufgetretenen Begleitumstände – etwa globale Logistikprobleme – aufgebaut. Um diese Einbußen zu beziffern, kann folgende Kalkulation vorgenommen werden: Der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung in den vergangenen beiden Corona-Jahren wird ein kontrafaktischer Konjunkturverlauf gegenübergestellt. Dabei wird ein ökonomisches Umfeld unterstellt, in dem es die Corona-Pandemie einfach nicht gibt. Neben dieser kontrafaktischen Konjunktur muss zunächst auch noch das vierte Quartal 2021 auf Basis des bereits vorliegenden Jahreswerts für 2021 geschätzt werden. Eine solche Kalkulation bietet zumindest eine grobe Orientierung für die bislang aufgelaufenen Wirtschaftsverluste infolge der Pandemie.
Auch bei den Bruttoanlageinvestitionen gab es merkliche Ausfälle. Während die Ausrüstungsinvestitionen stark einbrachen, war allerdings in den beiden ersten Corona-Jahren bei den Bauinvestitionen noch ein weiterer Zuwachs zu verzeichnen. Hätte es die Pandemie nicht gegeben, wären die gesamten Investitionen in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren in preisbereinigter Betrachtung um rund 60 Milliarden Euro höher ausgefallen. Dies stellt nicht nur eine kurzfristige Einbuße der Investitionsnachfrage infolge der Pandemie dar, vielmehr wirkt dies langfristig über die entgangenen Kapitalstockeffekte bremsend auf die wirtschaftliche Entwicklung.
Diesen Einbußen beim Privaten Konsum und bei den Investitionen stehen allerdings kräftige Impulse vonseiten des Staatskonsums infolge der Konjunkturpakete und pandemiebedingter Zusatzausgaben – etwa in den Krankenhäusern oder für Impfzentren – gegenüber. Auch vom Außenbeitrag kamen zumindest im Jahr 2021 merklich positive Konjunkturimpulse. Exporte und Importe sind fast wieder auf dem Niveau von 2019. Nicht zuletzt haben die Lizenzeinnahmen im Pharmabereich die deutschen Exporte und den Außenbeitrag angetrieben.
Gleichwohl ergibt sich aus der Gegenüberstellung der beiden Prognoseverläufe – zum einen ohne Corona-Pandemie (kontrafaktische Vergleichsbasis) und zum anderen nach tatsächlichem Stand – nunmehr ein Verlust an preisbereinigtem BIP in Höhe von fast 350 Milliarden Euro aufsummiert über die vergangenen acht Quartale (Abbildung). Auf das erste Corona-Jahr 2020 entfielen davon nahezu 200 Milliarden Euro und für 2021 beliefen sich die Einbußen auf gut 150 Milliarden Euro. Der Staatskonsum und vor allem der Außenhandel dämpften besonders im zweiten Corona-Jahr die gesamtwirtschaftlichen Einbußen merklich ab.
Diese Verlustbilanz umfasst die Entwicklung bis zum Jahresende 2021. Aber auch in den kommenden Quartalen wird es im Vergleich mit einem kontrafaktischen Verlauf zu beträchtlichen Einbußen kommen. Diese können sich allein im ersten Quartal 2022 auf weitere 50 Milliarden Euro belaufen, wenn es infolge der Omi-kron-Welle zu deutlichen Beeinträchtigungen im Wirtschaftsleben kommt.
Selbst wenn zum Jahresende 2022 beim realen BIP das Vorkrisenniveau wieder erreicht werden sollte, besteht auch dann noch eine markante Lücke zur Wirtschaftsleistung in einer kontrafaktischen Welt ohne Corona-Pandemie. Erst mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren können Stück für Stück die Wertschöpfungs- und Einkommenslücken infolge der Pandemie wieder geschlossen werden.