„Das Wiederaufflammen der Corona-Pandemie drückt auf die Stimmung und die Erwartungen der Großhandelsunternehmen. Zusätzlich belasten sie die Engpässe in den Lieferketten. Diese werden uns noch bis ins nächste Jahr begleiten. Das regelt der Markt aber von alleine. Was wir von der Politik brauchen, sind effektive Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und eine Regierung, die Deutschland schneller, moderner und digitaler macht. Dringend notwendig sind außerdem Investitionen in Digitalisierung und Infrastruktur, die Bekämpfung des Fachkräftemangels und die Beschleunigung bei Genehmigungsverfahren. Es muss endlich wieder mehr Bewegung ins Land kommen.“ Dies erklärt Dr. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), zu den Ergebnissen der aktuellen Unternehmensbefragung des Verbandes.
Großhandelsklima: Unternehmen betrachten Entwicklung mit großer Vorsicht
Die Stimmung im Großhandel hat sich seit dem Sommer verschlechtert. Coronabedingt betrachten die Unternehmen kurz vor dem Jahreswechsel die weitere Entwicklung mit großer Vorsicht. Der BGA-Großhandelsklimaindikator ist in kurzer Zeit von 119 Punkten um rund acht Prozent auf 110 Punkte gesunken, wobei Werte über 100 eine positive Stimmung und Werte darunter eine negative Stimmung zum Ausdruck bringen.
Die Erwartungen an die künftige Entwicklung haben sich deutlich abgekühlt. Der Wert ist von rund 114 Punkten um 11 Prozent auf unter 102 Punkte abgesackt und droht somit in eine wieder skeptische Stimmung zu kippen. Dieser Trend gilt sowohl für den baunahen Großhandel als auch für den Produktionsverbindungshandel. Insbesondere der Konsumgütergroßhandel als Lieferant für Hotellerie, Gastronomie und Einzelhandel sieht sich – angesichts der pandemiebedingten Einschränkungen bei seinen Kunden – schon wieder in schwierigem Fahrwasser.
Jandura erklärt die Ursache für die skeptische Stimmung: „Neben der Corona-Situation ist es die Versorgungslage mit Rohstoffen und Vorleistungen, die 44 Prozent der Unternehmer beklagen. Die starke Abhängigkeit von weltweit stabilen Lieferketten, Rohstoffen und Vorprodukten ist die Achillesferse für unseren wirtschaftlichen Erfolg. Die Großhändler sind das Rad, das die Welt in Schwung hält. Aber sie sind von funktionierenden Weltmärkten abhängig. Schwierigkeiten zeigen sich auch immer stärker in der Logistik. Nur jeder sechste Großhändler kann seine Waren fristgerecht liefern. Es dominieren Engpässe, insbesondere auch bei Fachkräften wie Berufskraftfahrern.“
Vor diesem Hintergrund erwartet der BGA im laufenden Jahr 2021 einen (nominalen) Umsatzanstieg um acht Prozent auf 1.465 Milliarden Euro, dem ein reales Plus von 3 Prozent zugrunde liegt. Für 2022 rechnet der BGA mit einem Anstieg von nominal bis 5 1/2 Prozent auf 1.545 Milliarden Euro und real bis drei Prozent. Die Beschäftigung im Großhandel könnte dann auch die Zwei-Millionen-Marke erstmals zeitweilig überspringen.
Was bedeutet das für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung? Der BGA geht davon aus, dass nach dem wirtschaftlichen Einbruch von real 4,6 Prozent 2020 in diesem Jahr mit einem Wachstum von 2,6 Prozent wieder ein ordentliches Plus erwirtschaftet werden kann. Im neuen Jahr können wir dann mit einem Wachstum von ebenfalls real rund drei Prozent den Einbruch hoffentlich gänzlich hinter uns lassen. All das ist aber abhängig davon, wie die Bekämpfung der Corona-Pandemie vorangeht und ob die geopolitische Lage stabil bleibt.
Zur Bewältigung der pandemischen Lage schlägt Jandura vor: „Ich weiß, dass es zu der Frage einer allgemeinen Impfpflicht in unserem Land sehr unterschiedliche Ansichten gibt. Klar ist aber: Wir müssen die vierte Welle der Pandemie so schnell wie möglich eindämmen und uns zugleich für weitere Wellen dieser Plage wappnen. Deshalb unterstützen wir die Politik in der Frage der Impfpflicht. Das sehen 80 Prozent der Großhändler so. Ein weiterer Lockdown wäre auch für uns Großhändler und die gesamte Wirtschaft ein schwerer Schlag.“
Auch die Finanzen stehen im Fokus: „Deutschland muss wirtschaftlich dynamischer werden, auch um die öffentlichen Finanzen zu stabilisieren und die Schuldenbremse einzuhalten. Ebenfalls als prioritär wird – mit 61 Prozent – die Beschleunigung von Genehmigungen und administrativen Prozessen sowie mit 57 Prozent die Sicherung der Energieversorgung gesehen“, so Jandura abschließend.