SPD, Grüne und FDP stellen am letzte Woche Mittwoch die Ergebnisse ihrer Verhandlungen vor. Was sagt die Branche dazu?
Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, erklärt zu den Koalitionsvereinbarung:
“Es ist richtig, dass die Koalition im Kern ihrer Klimaschutzprogrammatik auf die Elektrifizierung und Digitalisierung und ein massiv ausgebautes, flexibles Stromsystem setzt. Der Ausbaupfad der Erneuerbaren muss jetzt wie angekündigt tatsächlich in eine Schnellstraße verwandelt, die Infrastruktur modernisiert und die Stromnetze digitalisiert werden.
Regenerativ erzeugter Strom braucht Netze, an die künftig andere Anforderungen gestellt werden, schon um den steigenden Strombedarf decken zu können. Es ist gut, dass die Planungs- und Genehmigungsverfahren dafür massiv ausgebaut werden sollen. Genauso richtig ist es, dass die Koalition endlich die EEG-Umlage abschaffen will. Investitionen in die Elektrifizierung der Industrie, Mobilität und Gebäude werden damit auch wirtschaftlich attraktiver. Beim CO2-Preis dürfte die neue Koalition – in ihren Worten – „mehr Fortschritt wagen“.
In der Digitalisierungs- und Innovationspolitik gilt es nun die zahlreichen Digitalisierungsvorhaben auch rechtssicher umzusetzen: Der geplante Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur wie auch die Förderung von Datenzugang sind der richtige Ansatz. Ein Datengesetz sollte jedoch nicht nur staatlichen Datenzugang fördern, sondern auch Anreize für Unternehmen schaffen. Neben Datentreuhändern sollten auch weitere, flexible Datenteilungsmodelle ermöglicht werden.
Wenn die Digitalisierungsvorhaben so umgesetzt werden, erwacht Deutschland endlich aus seinem Dornröschenschlaf. Es ist richtig, dass die Koalition explizit die Stärkung und den Ausbau von Halbleiterentwicklung und Halbleiterproduktion in Deutschland finanziell unterstützen wird, unter anderem durch das zweite IPCEI Mikroelektronik und auch durch den geplanten EU Chips Act. Denn die Grundvoraussetzung für die grüne und digitale Transformation sind weltweit führende Kompetenzen in Schlüsseltechnologien wie Mikrochips – sowohl für Industrie 4.0, die intelligente Mobilität und die Energiewende durch smarte Elektrifizierung.
‚Mehr Fortschritt wagen‘ ist der richtige Anspruch der nächsten Bundesregierung an sich selbst und an uns alle. Denn die vor uns liegenden großen Herausforderungen betreffen uns als Gesellschaft insgesamt. Es ist höchste Zeit, die Kräfte zu bündeln sowie entschlossen und mutig voranzugehen. Es ist höchste Zeit für einen Aufbruch. Die Koalitionsvereinbarung macht Hoffnung.”
Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen begrüßt die heutige Einigung von SPD, Grünen und FDP auf einen Koalitionsvertrag.
„Es ist ein gutes Zeichen, dass wir jetzt bald wieder eine handlungsfähige Bundesregierung haben“, so BGA-Präsident Dr. Dirk Jandura. „Die vierte Welle der Corona-Pandemie droht unser Land und unsere Wirtschaft erneut lahmzulegen. Klimawandel, Fachkräftemangel und digitaler Strukturwandel verändern unsere Wirtschaft. Die Aufgaben für die neue Bundesregierung sind deshalb enorm. SPD, Grüne und FDP haben heute einen ambitionierten Fahrplan vorgelegt. Die starke Betonung von Modernisierung, digitalem Aufbruch und Investitionen ist richtig. Bisher hat es an der Umsetzung gehapert, und wir hoffen, dass das nun anders wird“, so Jandura.
„Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft ist das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ohne eine Erneuerung der wirtschaftlichen Grundlagen, ohne leistungsstarke Unternehmen werden wir weder die Bewältigung des Klimawandels noch unseren Sozialstaat finanzieren können“, so der BGA-Präsident weiter.
„Wir müssen dringend den Klimaschutz und seine Vorgaben so gestalten, dass auch kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung nicht auf der Strecke bleiben“, betont Jandura. „Viele Großhändler, Außenhändler und Dienstleister haben mit zu hohen Energiepreisen, zu vielen Vorschriften und Auskunftspflichten sowie dem dramatischen Fachkräftemangel zu kämpfen. Wir werden all diese Aufgaben nur im Dialog miteinander lösen können. Deshalb ist es gut, wenn sich Wirtschaft und Politik wieder aufeinander zubewegen“, so der BGA-Präsident.
Kritisch beurteilt Jandura die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro: „Durch diesen Eingriff wird die Arbeit der Mindestlohnkommission ebenso entwertet wie die gemeinsame Lohnfindung von Arbeitgebern und Gewerkschaften per Tarifvertrag.“ Ebenso kritisch sei, „dass die Bundesregierung offensichtlich das Ziel nicht weiterverfolgt, die Sozialversicherungsbeiträge unter 40 Prozent zu halten. Die Kosten des Sozialstaats dürfen dauerhaft nicht aus dem Ruder laufen“, so Jandura.
„Kritisch ist auch das Vorhaben, Freihandelsabkommen nachträglich noch durch zusätzliche Forderungen nach verpflichtenden Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtstandards zu überfrachten. Das führt zum Scheitern dieser Handelsabkommen und Deutschland droht, den erleichterten Zugang zu internationalen Märkten an Länder wie China zu verlieren.“