Am 30. November startet die 12. WTO-Ministerkonferenz in Genf. Dass es dort gelingt, die langjährigen Verhandlungsblockaden zu lösen, ist für die hiesige Wirtschaft von enormer Bedeutung.
Denn: “Zwei Drittel aller außereuropäischen Exporte deutscher Unternehmen beruhen allein auf WTO-Regeln”, unterstreicht DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. “Diese Regeln haben mit den großen wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre aber nicht ausreichend Schritt gehalten. Umso wichtiger ist es, das multilaterale Handelssystem fit für die Zukunft zu machen.”
Streitbeilegungsmechanismus reaktivieren
Konkret regt der DIHK an, den derzeit blockierten Mechanismus zur Streitbeilegung schnellstmöglich wieder zu reaktivieren. “Handelskonflikte können so entschärft und die Planbarkeit für international tätige Unternehmen verbessert werden”, erklärt Treier.
Ein WTO-Gesundheitsabkommen könne in der aktuellen Situation zudem dazu beitragen, Handelshemmnisse für Corona-relevante Produkte wie Impfstoffe, Medikamente oder Gesundheitsgüter abzuschaffen sowie Zölle und Exporteinschränkungen abzubauen. “Eine globale Pandemie erfordert auch in handelspolitischer Hinsicht globale Antworten”, so der DIHK-Außenwirtschaftschef. “Zölle und andere Handelshemmnisse behindern jedoch noch immer vielerorts den Austausch auch medizinisch notwendiger Güter.”
Multilaterale Lösungen für globale Herausforderungen
Weiterhin plädiert der DIHK dafür, entschiedener gegen Subventionen und Wettbewerbsverzerrungen vorzugehen und globale Handelsregeln besser auf die Herausforderungen des digitalen Zeitalters anzupassen. Auch der Klimawandel könne durch ein koordiniertes Handeln aller relevanten CO2-emittierenden Ländern besser bekämpft werden – und zugleich einseitige Wettbewerbsnachteile deutscher oder europäischer Unternehmen verhindern. “So global die Herausforderungen im internationalen Umfeld sind, so sinnvoll ist in all diesen Fällen ein multilaterales Vorgehen im Rahmen der WTO”, betont Treier.
Weltweit möglichst harmonisierte Ursprungsregeln zur Herkunft von Waren würden zudem Exporte erleichtern – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Für diese könnte eine WTO-Mittelstandsagenda zusätzliche Impulse setzen. Aber auch ein weltweiter Zollabbau oder ein besserer Marktzugang in Drittländer über das WTO-Beschaffungsabkommen würden dazu beitragen, weltweite Handelshürden zu beseitigen.
Steigende Nachfrage trifft auf Produktions- und Logistikprobleme
Laut einer aktuellen Befragung unter 3.200 deutschen Unternehmen im Ausland spitzen sich die Lieferkettenprobleme im Welthandel aktuell weiter zu. Inzwischen haben mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen im Ausland Probleme in ihren Lieferketten oder der Logistik – ein Anstieg um 14 Prozent im Vergleich zum Frühjahr.
“Eine steigende weltweite Nachfrage trifft derzeit auf zu geringe Produktionskapazitäten und Transportprobleme”, erläutert der DIHK-Außenwirtschaftschef. “Gründe dafür sind beispielsweise mangelnde Container und Frachtkapazitäten auf Schiffen sowie Produktionsausfälle. Die Lieferkettenstörungen gehen aber auch auf gravierende handelspolitische Verwerfungen zurück, wie zum Beispiel auf Vorschriften des Zwangs zu lokaler Produktion.”
Angesichts der Herausforderungen im internationalen Geschäft planen 54 Prozent der Unternehmen, Lieferketten anzupassen oder haben dies bereits getan. Von denjenigen Unternehmen, die Änderungen in ihren Lieferketten vornehmen wollen, suchen 72 Prozent neue oder zusätzliche Lieferanten, 32 Prozent planen eine Verkürzung oder Veränderung der Lieferwege, und 15 Prozent haben vor, die eigene Produktion zu verlagern.
Neue Standorte müssen mit qualifiziertem Personal punkten
Die wichtigsten Kriterien bei der Suche nach neuen Produktionsstandorten sind das Angebot an Fachkräften (54 Prozent), die geografische Lage des Produktionsstandorts (43 Prozent) sowie wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen wie Steuern, Zölle oder Sanktionen (43 Prozent).
Besonders gravierend stellt sich die Situation für deutsche Unternehmen im Vereinigten Königreich dar. Hier müssen insgesamt 77 Prozent der Unternehmen ihre Lieferketten anpassen. 93 Prozent dieser Betriebe sehen sich gezwungen, Lieferwege zu ändern, und 39 Prozent planen eine Produktionsverlagerung – vor allem eine Folge neuer Handelshemmnisse nach dem Brexit.