Digitalisierung kann jede fünfte Tonne CO2 einsparen

Digitale Technologien können einen Großteil dazu beitragen, dass Deutschland bis zum Jahr 2030 seine Klimaziele erreicht. Wie die im Auftrag des Digitalverbands Bitkom erstellte Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ zeigt, können die CO2-Emissionen in Deutschland durch den gezielten und beschleunigten Einsatz digitaler Lösungen in den kommenden zehn Jahren um bis zu 152 Megatonnen CO2 verringert werden. Das entspricht rund einem Fünftel der heutigen CO2-Emissionen. Unter Berücksichtigung des durch digitale Geräte oder Infrastrukturen erzeugten CO2-Ausstoßes beträgt die durch Digitalisierung erreichbare CO2-Einsparung 126 Megatonnen netto. Insgesamt muss Deutschland in den kommenden zehn Jahren 372 Megatonnen CO2 einsparen. „Auch mit Blick auf den Klimawandel ist ein beschleunigter Umbau unserer Wirtschaft hin zu einer digitalen Ökonomie das Gebot der Stunde“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

Lag Deutschlands CO2-Ausstoß 2019 noch bei 810 Megatonnen, so darf er 2030 lediglich 438 Megatonnen betragen. Für jeden einzelnen Bundesbürger bedeutet das, dass sein Pro-Kopf-Verbrauch an CO2 von 9,7 Tonnen pro Jahr 2019 auf 5,3 Tonnen im Jahr 2030 sinken muss. Rohleder: „Wir brauchen eine konsequent klimaorientierte Digitalstrategie. Mithilfe digitaler Technologien können wir enorme Mengen CO2 einsparen und gleichzeitig unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit und unsere Krisenresilienz steigern.“

Die Bitkom-Studie wurde von Umwelt- und Digitalisierungsexperten von Accenture durchgeführt. Darin werden jene sieben Anwendungsbereiche digitaler Technologien untersucht, in denen ein besonders großer CO2-Einspareffekt erzielt werden kann. Es handelt sich dabei um die industrielle Fertigung, Mobilität, Energie, Gebäude, Arbeit & Business, Landwirtschaft sowie Gesundheit. Zugleich wird auch der CO2-Ausstoß untersucht, der von den digitalen Technologien selbst ausgeht. So verursachen insbesondere Herstellung und Betrieb von Endgeräten wie Bildschirmen, Computern oder Tablets, aber auch der Betrieb der Netzinfrastruktur und der Rechenzentren mittelbar CO2-Emissionen. Schreitet die Digitalisierung in einem moderaten Tempo fort, werden hierdurch im Jahr 2030 rund 18 Megatonnen CO2 jährlich ausgestoßen. Bei einer beschleunigten Digitalisierung sind es 26 Megatonnen. Insgesamt, so das Fazit der Studie, ist das CO2-Einsparpotenzial der hier betrachteten digitalen Technologien bis zu sechs Mal höher als ihr eigener Ausstoß.

Entscheidend sei laut Bitkom, wie konsequent die Digitalisierung bis 2030 vorangetrieben werde. So beziffert die Studie das CO2-Einsparpotenzial bei einer eher moderaten Entwicklung der Digitalisierung, wie sie aktuell in Deutschland stattfindet, auf rund 103 Megatonnen bis zum Jahr 2030. Das entspricht 28 Prozent der notwendigen CO2-Einsparungen. Unter Berücksichtigung jenes CO2-Ausstoßes, der durch Produktion und Betrieb digitaler Technologien verursacht wird, liegt der Netto-Effekt in diesem Szenario bei 85 Megatonnen, was 23 Prozent der notwendigen Einsparungen entspricht. Mit einer beschleunigten und gezielten Digitalisierung ist die CO2-Reduktion mit den genannten 152 Megatonnen deutlich größer und beträgt 41 Prozent der notwendigen Einsparungen (netto: 126 MT CO2 bzw. 34 Prozent der Einsparungen).

Die Ergebnisse der Studie im Überblick:

Energie: Im Energiesektor lassen sich bis zu 24 Megatonnen CO2 bei einer beschleunigten Digitalisierung und 20 Megatonnen CO2 bei einer moderaten Digitalisierung bis 2030 einsparen. Maßgebliche Technologie sind hier zum einen Smart Grids, also intelligente Stromnetze, in denen Stromerzeugung und -verbrauch präzise gesteuert werden können. Daten und Elektrizität fließen in Smart Grids nicht nur vom Erzeuger zum Nutzer, sondern auch wieder zurück. So können Netzlasten besser gesteuert werden. Zum anderen geht es um eine digital gesteuerte, effiziente Produktion erneuerbarer Energien. Digitale Technologien wie etwa Künstliche Intelligenz und Big Data können den Zustand von Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien in Echtzeit überwachen und analysieren, um u.a. Ausfällen durch vorausschauende Wartung vorzubeugen und die Auslastung der Anlagen zu erhöhen. „Smart Grids sind die Grundlage der Energiewende. Unsere Stromnetze müssen zwingend zu Smart Grids umgebaut werden, um den Energieverbrauch zu senken und Stromerzeuger und -verbraucher näher zueinander zu bringen“, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder.
 

Gesundheit: In der Corona-Pandemie hat die Nutzung von Video-Sprechstunden deutlich zugenommen. Das reduziert nicht nur die Gefahr einer Ansteckung im Wartezimmer, es entfallen auch Fahrtwege zum Arzt oder Therapeuten. Zugleich wurden erst kürzlich so genannte digitale Gesundheitsanwendungen als Medizinprodukt zugelassen, also Apps auf Rezept. Viele von ihnen können Besuche in medizinischen Einrichtungen ersetzen. Durch solche und anderen Anwendungen aus dem Bereich E-Health können bis zu 0,4 Megatonnen CO2 im Szenario einer beschleunigten Digitalisierung und bis zu 0,3 Megatonnen CO2 bei einer moderaten Digitalisierung bis 2030 eingespart werden. Allein die Einführung der elektronischen Patientenakte spart 6.000 Tonnen CO2 p.a. ein.

Industrielle Fertigung: Im Bereich der industriellen Fertigung entfalten digitale Technologien das größte CO2-Einsparpotenzial unter den betrachteten Anwendungsbereichen: Bis zu 64 Megatonnen CO2 können bei einer beschleunigten Digitalisierung bis 2030 eingespart werden – und 37 Megatonnen bei einem moderaten Digitalisierungstempo. Maßgebliche Technologie ist zum einen die Automatisierung in der Produktion, bei der Anlagen und Maschinen, Werkstücke und ihre Bauteile miteinander vernetzt sind und Prozesse selbstständig unter möglichst geringem Material- und Energieeinsatz ablaufen. Zum anderen sorgt der sogenannte Digitale Zwilling für deutliche CO2-Einsparungen: Diese virtuellen Abbilder von kompletten Produktions- und Betriebszyklen machen es möglich, dass Verfahren zunächst am digitalen statt am realen Objekt getestet werden – so können massiv Material, Energie und Ressourcen gespart werden.

Mobilität: Bis zu 25 Megatonnen CO2 bei einer beschleunigten Digitalisierung und 15 Megatonnen CO2 bei einer moderaten Digitalisierung lassen sich bis 2030 in diesem Bereich einsparen. Bedeutender Hebel ist hier zum einen eine intelligente Verkehrssteuerung, bei der etwa Sensoren an der Straße oder GPS-Systeme in Autos Daten liefern, mit denen Ampeln geschaltet, Verkehrsströme umgeleitet oder öffentliche Transportmittel gestärkt werden können. Zum anderen liegen große Potenziale in einer smarten Logistik, die Leerfahrten vermeidet und Frachtrouten optimiert. Auch die Sharing Mobility, die nicht nur Car-Sharing, sondern auch Ride-Sharing umfasst, bei dem sich mehrere Fahrgäste mit ähnlicher Zielrichtung ein Fahrzeug teilen, kann für eine effizientere und ressourcenschonendere Mobilität sorgen.
 

Gebäude: Ein Zuhause, das die Heizkörper automatisch herunterstellt, wenn ein Fenster geöffnet wird oder das Licht löscht, wenn die Bewohner zur Arbeit gehen: Smart-Home-Technologien helfen schon heute vielen Menschen dabei, Energie einzusparen. Auch in großen Büro- und Geschäftskomplexen werden digitale Lösungen eingesetzt, die Heizung, Lüftung oder Klimatisierung je nach Wetterverhältnissen oder Anzahl der anwesenden Angestellten automatisch regeln. Smart Homes und intelligente, vernetzte Gebäude können bei einer moderaten Verbreitung der entsprechenden Technologien bis 2030 rund 17 Megatonnen CO2 einsparen. Bis zu 21 Megatonnen sind es, wenn die Verbreitung smarter Technologien schneller vorangetrieben wird.
 

Arbeit und Business: Zuhause arbeiten statt ins Büro pendeln: Jeder Tag im Homeoffice kann einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten. 2019 haben erst zwölf Prozent der Berufstätigen in Deutschland im Schnitt zwei Tage pro Woche im Homeoffice gearbeitet. Bei einer moderaten Entwicklung erreicht dieser Wert im Jahr 2030 48 Prozent – und 55 Prozent bei einer beschleunigten Digitalisierung der Büroarbeit. Auch der Ersatz von Geschäftsreisen durch Videokonferenzen sowie eine Reduktion von Büroflächen fallen ins Gewicht. Zwischen neun und elf Megatonnen CO2 könnten so bis 2030 eingespart werden.

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