Corona hat den Blick der Unternehmen auf die Digitalisierung stark verändert. Gut ein Jahr nach dem ersten Lockdown zweifeln nur noch zwölf Prozent aller Unternehmen mit 20 oder mehr Beschäftigten am wirtschaftlichen Nutzen der Digitalisierung für ihr Unternehmen. Zu Beginn der Pandemie vor einem Jahr haben noch 27 Prozent angegeben, ihnen sei der Nutzen unklar, vor zwei Jahren waren es sogar 34 Prozent. Gleichzeitig sagen aktuell zwei Drittel (64 Prozent), dass digitale Technologien dem Unternehmen helfen, die Pandemie zu bewältigen. Und in fast allen Unternehmen (95 Prozent) hat durch Corona die Digitalisierung von Geschäftsprozessen an Bedeutung gewonnen. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von mehr als 500 Unternehmen aller Branchen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die heute vorgestellt wurde. „Corona hat zu einem Digitalisierungsschub in den Köpfen geführt. Jetzt muss es uns gelingen, die Digitalisierung auch in der Praxis voranzutreiben“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Wer sich digital aufstellt kann nicht nur Krisenzeiten besser überstehen, sondern wird davon auch in einer Nach-Lockdown-Zeit profitieren.“
In der Wirtschaft zeigt sich ein Digitalisierungsgraben
Bislang haben zwei Drittel der Unternehmen die Corona-Krise sehr schlecht (38 Prozent) oder eher schlecht (28 Prozent) überstanden, nur ein Drittel eher gut (26 Prozent) oder sehr gut (fünf Prozent). Jedes Vierte (23 Prozent) glaubt, aus der Corona-Pandemie gestärkt herauszugehen, aber mehr als jedes Dritte (38 Prozent) sieht die eigene Existenz durch die Pandemie bedroht. Berg: „Die Pandemie reißt in der deutschen Wirtschaft einen Digitalisierungsgraben auf.“ So hat in rund der Hälfte (47 Prozent) der Unternehmen Corona längst überfällige Digitalisierungsvorhaben angeschoben, in ebenfalls der Hälfte (52 Prozent) wurden aber Digitalisierungsprojekte wegen Corona auf Eis gelegt. Und die eine Hälfte der Unternehmen (46 Prozent) sieht sich bei der Digitalisierung von Geschäfts- und Verwaltungsprozessen als Vorreiter, die andere (50 Prozent) aber als Nachzügler. „Die Corona-Krise treibt die Digitalisierung in jedem zweiten Unternehmen an und bremst sie gleichzeitig in den anderen Unternehmen aus. Corona ist gleichermaßen Digitalisierungsbeschleuniger wie Digitalisierungsbremse“, so Berg. „Das sollten wir nicht akzeptieren. Wir dürfen bei der Digitalisierung kein Unternehmen zurücklassen. Digitalisierung muss in jedem Unternehmen ganz oben auf die Agenda. Wo derzeit die Kraft fehlt, ist die Politik mit wirksamen Unterstützungsmaßnahmen gefragt.“
Digital-Office-Lösungen in Breite angekommen – haben aber noch Potenzial
Dabei zeigt die aktuelle Studie, dass Digital-Office-Lösungen in der Breite der Unternehmen angekommen sind, es aber noch viel Potenzial beim Einsatz einzelner Anwendungen gibt. So sagen 93 Prozent, dass sie einzelne Lösungen wie CRM, ECM oder ERP nutzen, weitere 4 Prozent planen oder diskutieren den Einsatz. Allerdings verwenden nur 48 Prozent digitale Lösungen zur Digitalisierung von Dokumenten, 44 Prozent ein Workflow-Management etwa für Freigabeprozesse und 41 Prozent ein elektronisches Archiv und Dokumentenmanagement. Ein Output-Management etwa zur Generierung von Dokumenten setzen 35 Prozent ein, 27 Prozent haben digitale Lösungen zur bereichsübergreifenden Recherche von Unternehmensinformationen eingeführt und 21 Prozent verwenden digitale Signaturen.
In den kommenden Jahren könnte die Nutzung deutlich steigen. So planen oder diskutieren 39 Prozent über die Einführung von Output-Management-Lösungen, 38 Prozent über Workflow Management, 37 Prozent über bereichsübergreifende Recherche von Unternehmensinformationen, 34 Prozent über elektronische Archivierung und Dokumentenmanagement, 33 Prozent über die Digitalisierung von Dokumenten und 30 Prozent über digitale Signaturlösungen. Und im laufenden Jahr wollen vier von zehn Unternehmen (42 Prozent) in die Digitalisierung ihrer Geschäfts- und Verwaltungsprozesse investieren. Unter den Großunternehmen ab 500 Beschäftigten liegt der Anteil mit 59 Prozent sogar noch deutlich darüber.
Abschied vom Papier: Weniger Ausdrucke, mehr digitale Rechnungen
Während der Corona-Pandemie nehmen viele Unternehmen Abschied vom Papier. So werden in 62 Prozent der Unternehmen weniger Dokumente ausgedruckt als noch vor einem Jahr, nur in acht Prozent sind es mehr. Vor einem Jahr hatten bereits 49 Prozent die Anzahl der Ausdrucke reduziert, 15 Prozent hatten sie gesteigert. Und auch bei Büro- und Verwaltungsprozessen spielt Papier nur noch in jedem viertem Unternehmen (23 Prozent) die dominierende Rolle: In sechs Prozent läuft praktisch alles papierbasiert, in 17 Prozent zu etwa drei Viertel. Umgekehrt sind papierarme Prozesse in sieben Prozent vollständig und in 27 Prozent zu etwa drei Vierteln umgesetzt. In 40 Prozent der Unternehmen halten sich papierlose und papierbasierte Prozesse etwa die Waage. „Digitale Prozesse etwa bei der Beschaffung aber auch beim Urlaubsantrag oder der Krankmeldung sind unter anderem die Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit im Homeoffice, das in der Pandemie massiv an Bedeutung gewonnen hat“, so Berg. „Zum anderen sind digitale Prozesse die Grundlage dafür, Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Cloud-Services einsetzen zu können.“
Bei der Rechnungstellung hat Corona einen Zeitenwechsel initiiert. Erstmals werden Rechnungen überwiegend digital und nicht mehr auf Papier ausgestellt. Jedes dritte Unternehmen (32 Prozent) erstellt Rechnungen überwiegend oder ausschließlich elektronisch, nur noch 19 Prozent tun dies überwiegend oder ausschließlich auf Papier. Vor einem Jahr hatten noch 24 Prozent überwiegend elektronische Rechnungen genutzt, 33 Prozent aber vor allem Papier. Vor fünf Jahren waren sogar erst 18 Prozent elektronisch, aber 58 Prozent papierbasiert unterwegs. Berg: „Auch die klassische Rechnung auf Papier befindet sich auf dem Rückzug. Die Vorteile digitaler Rechnungen liegen auf der Hand: Die Rechnungsstellung und -verarbeitung werden einfacher und schneller, die Unternehmen sparen Portokosten und Personalressourcen und schonen vor allem die Umwelt, weil weniger Papier verbraucht wird und Transportwege wegfallen.“
In den Unternehmen fehlt zunehmend das Digital-Know-how
Das Tempo der Digitalisierung wird derzeit durch die fehlende Digitalkompetenz in den Unternehmen gebremst. So verfügen nur noch 56 Prozent über die erforderlichen Mitarbeiter, um die Digitalisierung von Geschäfts- und Verwaltungsprozessen voranzutreiben. Vor einem Jahr verfügten noch 72 Prozent der Unternehmen über ausreichend digitalkompetente Mitarbeiter. Dennoch investieren nur noch 64 Prozent in die digitale Fort- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten – nach 70 Prozent im Vorjahr. Und nur knapp in der Hälfte der Unternehmen (54 Prozent) verfügt das Management über die nötige Digitalkompetenz, um die Digitalisierungsprozesse voranzutreiben. „Wo Digitalisierung für die Unternehmen jetzt massiv an Bedeutung gewinnt und stärker vorangetrieben werden soll, fällt der Mangel an Know-how stärker auf denn je. Umso wichtiger ist es, selbst aktiv zu werden und die Belegschaft umgehend zu qualifizieren“, so Berg. „Das Management muss selbstkritisch in diesen Prozess gehen: Wenn es in der Führungsetage an Expertise fehlt, sollten unbedingt Digitalisierungs-Teams aufgestellt und gegebenenfalls externe Hilfe hinzugezogen werden.“
Die größten Hürden, die die Unternehmen für die Digitalisierung des eigenen Unternehmens sehen, sind fehlende Standards (64 Prozent) und zu hohe Anforderungen an den Datenschutz (63 Prozent). Aber auch allgemein rechtliche Bestimmungen behindern Digitalisierungsprojekte (47 Prozent), wie etwa das Schriftformerfordernis. Auch Sicherheitsbedenken hemmen die Digitalisierung. So haben 61 Prozent der Unternehmen Angst vor unberechtigtem Zugriff auf sensible Unternehmensdaten, 57 Prozent nennen aus Sicht der Unternehmen zu hohe Anforderungen an die IT-Sicherheit und 49 Prozent fürchten Datenverlust. Und schließlich fehlt es auch am Geld. So beklagen 57 Prozent einen zu hohen Investitionsbedarf, 55 Prozent fehlt die Zeit, 42 Prozent vermissen externe Beratung und 39 Prozent sehen ganz allgemein Widerstände im Unternehmen gegen die Digitalisierung.