Die Corona-Pandemie trifft die deutsche Industrie mit voller Wucht, führt zugleich aber zu einem Digitalisierungsschub in den Unternehmen. So geben vier von zehn (42 Prozent) Industrieunternehmen mit 100 oder mehr Beschäftigten an, bislang sehr schlecht durch die Corona-Zeit gekommen zu sein, rund jedes Vierte (23 Prozent) eher schlecht. Gleichzeitig sagen 95 Prozent, dass im Zuge der Corona-Pandemie die Digitalisierung in ihrem Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat. Sechs von zehn Industrieunternehmen (63 Prozent) geben an, dass ihnen digitale Technologien helfen, die Corona-Pandemie zu bewältigen. Und drei Viertel (77 Prozent) haben festgestellt, dass Unternehmen, deren Geschäftsmodell bereits digitalisiert ist, besser durch die Krise kommen. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Studie zur Digitalisierung der deutschen Industrie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die 551 Industrieunternehmen ab 100 Beschäftigten im Februar und März 2021 befragt wurden. „Das produzierende und verarbeitende Gewerbe ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Die Corona-Pandemie zeigt, dass Digitalisierung nicht nur im Normalmodus Effizienzgewinne und Wettbewerbsvorteile bringt, sondern auch eine hoch wirksame Krisenvorsorge ist“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Die Corona-Pandemie muss genutzt werden, den digitalen Umbau der deutschen Industrie voranzutreiben.“
Die Industrie hat bereits auf Corona reagiert. 81 Prozent der Unternehmen passen bestehende und 49 Prozent bieten neue Produkte und Dienstleistungen an, 29 Prozent nehmen bestimmte Angebote vom Markt. In vier von zehn Industrieunternehmen (42 Prozent) hat sich das Geschäftsmodell durch die Corona-Krise verändert. Tatsächlich könnte die Corona-Pandemie in den kommenden Monaten für einen anhaltenden Digitalisierungsschub in den Fabriken sorgen. 61 Prozent der Unternehmen wollen als Corona-Folge langfristig die Digitalisierung vorantreiben. 62 Prozent sehen einen Innovationsschub für das eigene Unternehmen.
Sechs von zehn Unternehmen nutzen Industrie 4.0-Anwendungen
Industrie 4.0 ist inzwischen für alle größeren Industrieunternehmen ein Thema. Fast zwei Drittel (62 Prozent) setzen bereits spezielle Anwendungen wie vernetzte Produktionsanlagen, Echtzeit-Kommunikation zwischen Maschinen oder intelligente Roboter ein. Das ist ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr (59 Prozent), vor drei Jahren lag der Anteil gerade einmal bei 49 Prozent. Jedes Fünfte (21 Prozent) plant aktuell die Industrie 4.0-Nutzung. Weitere 16 Prozent unternehmen noch keine konkreten Schritte, können sich das aber für die Zukunft vorstellen. Erstmals gibt kein größeres Industrieunternehmen mehr an, dass Industrie 4.0 kein Thema ist.
IoT-Plattformen, 3D-Druck und 5G gewinnen an Bedeutung
Aktuell nutzen vier von zehn Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern IoT-Plattformen, mit denen Daten von Geräten, Maschinen und Anlagen an zentraler Stelle zusammengeführt und ausgewertet werden können. Jedes Dritte (32 Prozent) plant die künftige Nutzung, nur für knapp jedes Fünfte (19 Prozent) sind IoT-Plattformen derzeit kein Thema. „IoT-Plattformen legen das Fundament für digitale Mehrwertdienste. Mit ihnen werden physische Produkte um weitere Funktionen angereichert und ermöglichen so zum Beispiel vorausschauende Wartung“, so Rohleder. Ebenfalls vier von zehn Industriebetrieben (44 Prozent) setzen 3D-Druck ein, fast ebenso viele planen oder diskutieren den Einsatz (42 Prozent). Nur 14 Prozent wollen erst einmal auf 3D-Druck verzichten. Herausragende Bedeutung kommt dem neuen Mobilfunkstandard 5G für die vernetzte Produktion zu. Inzwischen halten 85 Prozent der Industrieunternehmen die Verfügbarkeit von 5G für wichtig für das eigene Unternehmen, vor einem Jahr waren es erst 72 Prozent. Umgekehrt hat sich der Anteil der Unternehmen, die 5G für unwichtig halten, von 26 auf 13 Prozent halbiert. „5G ist eine Schlüsseltechnologie, gerade für die Industrie“, so Rohleder. „5G ermöglicht Übertragungen in Echtzeit, eine höhere Netzwerk-Kapazität und eine praktisch unbegrenzte Zahl an Geräten und Bauteilen, die miteinander kommunizieren können.“
Industrie 4.0 wird zugleich auch die Arbeit in den Fabriken verändern. So erwarten sechs von zehn Unternehmen (57 Prozent), dass neue Arbeitsplätze für gut ausgebildete Fachkräfte entstehen. Zugleich gehen aber auch rund zwei Drittel (68 Prozent) davon aus, dass Arbeitsplätze für gering Qualifizierte wegfallen werden. Auf diesen Wandel stellt sich die Industrie bereits heute ein. Ebenfalls rund zwei Drittel (68 Prozent) der Industrieunternehmen investieren bereits in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter rund um Industrie 4.0.
Investitionen in Industrie 4.0 steigen in der Pandemie – aber nicht überall
Unternehmen, die bereits Industrie 4.0-Anwendungen einsetzen oder dies planen, haben ihre Aktivitäten in der Corona-Krise tendenziell verstärkt. 18 Prozent haben in der Zeit ihre Investitionen in Industrie 4.0 deutlich und weitere 24 Prozent etwas erhöht. Nur 14 Prozent haben die Ausgaben etwas gesenkt, gerade einmal neun Prozent deutlich gesenkt. In jedem dritten Unternehmen (32 Prozent) hat sich nichts geändert. „Mehr Investitionen in Industrie 4.0 – das ist eine gute Nachricht für den Standort Deutschland“, sagt Rohleder.
95 Prozent sehen in Industrie 4.0 eine Chance für das eigene Unternehmen, nur vier Prozent halten sie für ein Risiko. Die entsprechenden Möglichkeiten werden allerdings noch lange nicht ausgeschöpft: Nicht einmal jeder dritte Industriebetrieb in Deutschland (31 Prozent) sieht sich aktuell als Vorreiter bei Industrie 4.0. Mehr als jeder Zweite (54 Prozent) bezeichnet sich dagegen als Nachzügler, jeder Neunte (elf Prozent) meint sogar, den Anschluss verpasst zu haben. „Digitalisierung entwickelt sich auch in der Produktion exponentiell. Das heißt, wer später anfängt, muss sich umso mehr anstrengen. Jetzt heißt es: schnell sein“, sagt Rohleder.
Unternehmen fühlen sich durch hohe Datenschutz-Anforderungen gebremst
Die Unternehmen erleben aktuell eine Vielzahl von Hemmnissen, die den Einsatz von Industrie 4.0-Anwendungen erschweren. So würden 77 Prozent gerne mehr investieren und klagen über fehlende finanzielle Mittel. 61 Prozent fühlen sich durch Datenschutz-Anforderungen behindert. 57 Prozent von Anforderungen an die IT-Sicherheit. In jedem zweiten Unternehmen (55 Prozent) fehlt es an Fachkräften, ähnlich viele (52 Prozent) fühlen sich durch die Komplexität des Themas überfordert, 48 Prozent bemängeln die Störanfälligkeit der Systeme. 29 Prozent fehlt es am Austausch mit anderen Unternehmen und jedes vierte Unternehmen (25 Prozent) hat nicht genügend Zeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Nur eine geringe Rolle spielen demgegenüber ein Mangel an externer Beratung (14 Prozent), fehlendes Wissen über Best-Practice-Lösungen (zwölf Prozent), fehlende Standards (elf Prozent) oder eine zu geringe Verfügbarkeit von marktfähigen Lösungen (zehn Prozent). Gerade einmal neun Prozent beklagen eine zu geringe Akzeptanz in der Belegschaft. Überhaupt kein Hinderungsgrund sind ein zu geringer Automatisierungsgrad im eigenen Unternehmen, um Industrie 4.0-Anwendungen einsetzen zu können oder eine Unsicherheit über den wirtschaftlichen Nutzen.
Entsprechend formulieren die Industrieunternehmen sehr konkrete Wünsche. Jeweils acht von zehn plädieren für einen Abbau von rechtlichen Unsicherheiten beim Datenaustausch mit anderen Unternehmen (84 Prozent), die Förderung von Investitionen (80 Prozent) und einen beschleunigten Breitbandausbau (78 Prozent). Rund zwei Drittel (63 Prozent) erwarten mehr und bessere Informations- und Beratungsangebote, jedes Zweite (53 Prozent) eine Integration von Industrie 4.0 in Ausbildung und Studium. 48 Prozent würden Aus- und Weiterbildungsprogramme für die Mitarbeiter helfen, 47 Prozent Förderprogramme für Forschung und Entwicklung und 34 Prozent die Etablierung von Standards.