Im Interview mit der ElektroWirtschaft sprechen Ulrich Liedtke, Geschäftsführer Würth Elektrogroßhandel Zentral- und Osteuropa, und Uwe Schaffitzel, Geschäftsführer Würth Elektrogroßhandel Deutschland, über die Bedeutung des Elektrogroßhandels in der Krise sowie über internationale Aktivitäten und Strategien für die Zukunft.
ElektroWirtschaft: Der Würth Elektrogroßhandel verzeichnete im Geschäftsjahr 2020 einen kräftigen Umsatzzuwachs. Worauf führen Sie das zurück?
Uwe Schaffitzel: Der Elektrogroßhandel hat in diesen schwierigen Zeiten ein sensationelles Wachstum von deutlich über zehn Prozent verzeichnet. Den coronabedingten „Einschlag“ im April mussten alle hinnehmen, aber wir konnten uns schnell erholen. Einige unserer Gesellschaften haben stärker gelitten, auch regional unterschiedlich. Die Entwicklung in Deutschland ist sehr stabil und positiv und ebenfalls mit einem zweistelligen Wachstum zu Ende gegangen.
ElektroWirtschaft: Worauf führen Sie das zurück?
Uwe Schaffitzel: Der Bau, und somit das klassische Handwerk, hat auch weiterhin eine starke Entwicklung. Jetzt kommt noch dazu, dass unser Kunde aufgrund des schwächeren Geschäfts in der Industrie Mannleistung auf das Handwerksgeschäft umsteuert und damit den hohen Bedarf im Baubereich noch besser abdecken konnte. Dadurch waren wir im Elektrogroßhandel in der Lage, gut durch die Krise zu kommen.
ElektroWirtschaft: Inwiefern hat die Krise Ihre Geschäftsprozesse beeinträchtigt?
Uwe Schaffitzel: Wir haben bereits vor Corona die Möglichkeit für mobiles Arbeiten geschaffen. Aufgrund eines Cyberangriffs auf zwei unserer Gesellschaften im Jahr 2019 wurden alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen nochmals erhöht, um von anderen Plätzen als dem Büro zu arbeiten und auf die Systeme sicher zuzugreifen. Somit waren die notwendigen Veränderungen der Prozesse durch die Pandemie schnell für uns umsetzbar bzw. bereits vorhanden. Wir waren also vollumfänglich leistungsfähig. Die Bereiche, die persönliche Anwesenheit verlangen, wie beispielsweise das Lager, wurden durch Hygienekonzepte, mit Schutz- und Abstandsregeln, auf die Situation vorbereitet. Es war oberste Priorität, neben allen anderen Bereichen insbesondere die Logistik zu schützen. Wenn die Ware nicht zum Kunden kommt, haben wir ein Problem.
ElektroWirtschaft: Herr Liedtke, wie war das bei Ihnen?
Ulrich Liedtke: Mit den 12,8 Prozent Umsatzplus im abgelaufenen Jahr waren wir sehr zufrieden. Das verdanken wir aber auch einer Akquisition aus dem Vorjahr. Ohne diesen Effekt wären wir immer noch bei einem „bescheidenen“ Plus von vier Prozent. Im Elektrogroßhandel hat es uns in allen Ländern geholfen, dass insbesondere die Elektrohandwerksbetriebe als systemrelevant eingestuft wurden. Wir haben aber auch schon früh stark auf E-Commerce gesetzt und waren insofern vorbereitet. Im Ausland hat uns das noch mal Auftrieb gegeben.
ElektroWirtschaft: Wie sind denn angesichts der Pandemie die Pläne der W.EG. für die nähere Zukunft?
Ulrich Liedtke: Wir rechnen in der Branche alle damit, dass die zweite Jahreshälfte einen Zuwachs bringen wird. In der ersten Jahreshälfte haben wir einerseits noch das „volle“ Corona-Umfeld, andererseits vergleichen wir uns ab März zu Vorjahresmonaten, die ebenfalls in stärkstem Maße von Corona-Effekten geprägt waren. Das macht es bei der Planung der Ressourcenbemessung etwas unkomfortabel.
ElektroWirtschaft: Haben Sie Prognosen aufgestellt, wann es wieder komplett normal laufen kann?
Uwe Schaffitzel: Wer das kann, hat den Schlüssel für die Zukunft in der Hand. Bislang konnten wir überraschend gut mit den Beeinträchtigungen arbeiten. Auch das Marktwachstum, das wir in der Branche in 2020 in einem schwierigen Umfeld erreicht haben, ist phänomenal. Wenn das in den nächsten Jahren so bleiben sollte und wir Corona weiter in den Griff bekommen, können wir in der Branche gut damit leben.
ElektroWirtschaft: In der aktuellen Situation können Sie Ihren Partnern verdeutlichen, dass Sie in der Lage sind, die Situation zu meistern und für die Kunden da zu sein. Erarbeiten Sie sich gerade einen Vertrauensbonus für die Zukunft?
Ulrich Liedtke: Das gilt für die gesamte Branche. Wir sind in unserer Wertschöpfungsstufe vom Endkunden entfernt, diesen Kontakt haben zumeist unsere Partner im Elektrohandwerk. Das haben sie mit Bravour gemeistert, davon profitiert die ganze nachgelagerte Kette, wozu wir gehören. Viel haben wir scheinbar nicht falsch gemacht, sonst sähen die Zahlen nicht so aus. Uwe Schaffitzel: Es gab auch in unserer Branche einige Unternehmen, die coronabedingt schließen mussten. Ansonsten konnte die Warenverfügbarkeit für Kunden sichergestellt werden, was für den Kunden natürlich sehr wichtig war.
ElektroWirtschaft: Ist die Bedeutung des Großhandels gewachsen?
Uwe Schaffitzel: Großhändler mit technisch guten Systemen und einem guten Shop konnten ihre Bestellungen signifikant steigern. Wir hatten beispielsweise das Thema Click & Collect relativ früh aufgegriffen und umgesetzt. So konnte der Handwerker auch in der Krise seine Arbeit zuverlässig erledigen.
ElektroWirtschaft: Laut Umfragen des ZVEH ist die Erwartung für 2021 verhalten. Auftragsbestände sind noch da, gehen langsam zur Neige. Vor allem beim Thema Licht wurden Bedenken geäußert. Können Sie das bestätigen?
Uwe Schaffitzel: Das muss man leider bestätigen. Aber es ist ein eher kleiner Dämpfer auf relativ hohem Niveau. Die Frage ist, wie es weitergeht. Die Corona-Zahlen gehen runter, die Anzahl der Impfungen nimmt zu, bald kommt der Frühling. Es könnte durchaus sein, dass die Auftragslage etwas abflacht, aber dann normal weitergeht. In den Metropolen wie Hamburg, Berlin, München oder Frankfurt sind unvorstellbar viele Bauvorhaben geplant und auf Licht im Gebäude kann nicht verzichtet werden. Ulrich Liedtke: Für die Märkte in Zentral- oder Südeuropa kann ich das ähnlich bestätigen. Der Optimismus überwiegt. In Italien oder Spanien wurden enorme Hilfsprojekte seitens der EU freigemacht. Die Auftragslage stimmt, ab Juni oder im Herbst wird es weiter vorangehen.
ElektroWirtschaft: Wie sehen Ihre künftigen Strategien aus?
Uwe Schaffitzel: Wir sind geübt, eine rollierende Planung für einen Zeitraum von zehn Jahren aufzubauen. Von daher haben wir eine gewisse Vorstellung, wie die Entwicklung aussehen kann und was wir dazu benötigen. Wir waren schon immer auf ein profitables Wachstum getrimmt, das ist Teil unserer DNA. Wobei wir in einigen, für uns relevanten Märkten besser wachsen können, weil wir noch eine geringere Bedeutung als in anderen Märkten haben.
ElektroWirtschaft: Können Sie das konkreter machen?
Ulrich Liedtke: Im Baltikum sind wir mittlerweile eine starke Nummer Eins, in der Slowakei ebenfalls. In Polen, Tschechien, Spanien und auch Deutschland hängt es davon ab, ob wir uns mit Einzelunternehmen oder ganzen Marktgemeinschaften sozusagen „in Summe vergleichen“. Beim Einzelvergleich sind wir in den meisten Fällen mindestens bei den Top fünf dabei. In Polen sind wir durch den Schritt mit Kaczmarek Elektrik jetzt ganz vorne mit dabei. Einzig in Italien reicht es derzeit „nur“ für die „Top ten“. Neben dieser oberflächlichen Sicht bemühen wir uns aber, vor allem auf die Untermärkte zu schauen: Wie stark sind wir in der Industrie vertreten, wie stark in der generellen Elektrifizierung, in der Energieverteilung, wie stark in den Gebäuden oder beim Licht? Wir führen in allen Gesellschaften derzeit einen Strategie-Workshop durch, um einen Eindruck zu gewinnen, wie der jeweilige Markt bis 2030 einzuschätzen ist. Interessant ist hier die Frage der Wertschöpfungsverteilung zwischen dem Handel, der herstellenden Industrie, den Handwerksbetrieben und Anderen, die sich in diesem Feld bewegen. Danach versuchen wir unsere Schwerpunkte auszurichten.
ElektroWirtschaft: Wie sieht die Strategie bei weiteren Übernahmen wie mit Kaczmarek in Polen aus?
Ulrich Liedtke: Ich spreche, gerade in diesem Fall, lieber von strategischen Partnerschaften. Wir bemühen uns nach Möglichkeit, den Unternehmer selbst langfristig an uns zu binden. Wir tun viel dafür, individuelle Situationen im Detail kennen- und einschätzen zu lernen, um dann maßgeschneidert darauf reagieren zu können. Wachstum durch klassische Akquisition oder eben strategische Partnerschaften steht bei uns unverändert hoch auf der Agenda.
ElektroWirtschaft: Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre strategischen Partnerschaften aus?
Ulrich Liedtke: Zum einen suchen wir in für uns komplett neuen Märkten oder in Märkten, in denen wir stark unterrepräsentiert sind, nach einem Partner, der die entsprechende Schulterbreite hat, um uns kräftig voranzubringen. Zweitens suchen wir in Ländern, in denen wir bereits eine insgesamt befriedigende Marktposition haben, nach Partnern, die uns gestatten, bestehende Schwachstellen in der geographischen Abdeckung zu schließen. Die dritte Variante: Wir stellen fest, dass uns in einem Marktsegment eine bestimmte, z.B. technische Kompetenz fehlt und versuchen, diese gezielt zu schließen. Kaczmarek in Polen gehört natürlich klar in die erste Kategorie. Das ist für unsere Maßstäbe ein strategischer Game-Changer. Es geht aber neben diesen rationalen Kriterien auch um andere, eher weiche Faktoren. Letztlich ist es entscheidend, ob die Chemie mit dem bestehenden Management passt. Ist das nicht der Fall, muss man auch mal Abstand nehmen von einer Sache, die sich auf dem Papier sehr schön darstellte.
ElektroWirtschaft: Beim Blick auf Ihr Firmenportfolio fällt eine Ballung im Raum Zentral- und Südeuropa auf. Warum ist das so?
Ulrich Liedtke: Wenn man sich vor Augen führt, welche großen Märkte es in Europa gibt, ist man neben Deutschland und Frankreich eben schnell in den von Ihnen genannten Ländern. Es gäbe natürlich auch Möglichkeiten in Nordamerika und in Asien, das würde uns angesichts der uns zur Verfügung stehenden Ressourcen überfordern. Wir wollen dort, wo wir sind, auch richtig gut sein. Das erfordert gewisse Marktanteile und damit Unternehmensgrößen und Folgeinvestitionen. Daher erscheint uns eine Fokussierung in Kerneuropa sinnvoll zu sein.
ElektroWirtschaft: Herr Schaffitzel, Sie haben jüngst eine weitere 24/7-Niederlassung in Berlin eingeweiht. Wäre ein solches Service- Modell auch im Ausland umsetzbar?
Uwe Schaffitzel: Wir machen die Dinge immer aus der Sicht, was dem Kunden hilft. Und da bei den Kunden die eigene Lagerhaltung nicht ausgebaut wird, standen wir vor der Frage, wie wir eine optimale Warenversorgung ermöglichen. Da kam der Gedanke auf, eine 24/7-Niederlassung zu eröffnen. Diesen Service-Gedanken gibt es grundsätzlich auch in Polen und anderen Ländern. Ob solche Konzepte aber von den Kunden im jeweiligen Markt angenommen werden, ist eine andere Frage.
ElektroWirtschaft: In Deutschland fallen alle großen Messen aus, wie sehr trifft Sie das? Und sind digitale Konzepte eine zufriedenstellende Lösung?
Uwe Schaffitzel: Das Thema betrifft die ganze Branche. Niemand kann sagen, wann wir wieder ohne großes Risiko eine größere Anzahl an Menschen zusammenbringen können. Auf Messen können wir aus unterschiedlichsten Gründen nicht verzichten. Es ist immer noch der persönliche Kontakt, der zählt. Unsere Kunden sind Fachhandwerker, und wie das Wort schon sagt, arbeiten sie mit der Hand auf einem fachlich sehr anspruchsvollen Gebiet. Unsere Kunden wollen und müssen Produkte auch in die Hand nehmen können. Sie können in einem Video zwar zeigen, wie ein Produkt eingebaut wird. Aber der Handwerker will es fühlen und ausprobieren. Das geht digital nicht. Von daher glaube ich, dass wir weiterhin Messen haben sollten und müssen. Wir müssen jetzt abwarten, wie das weitergeht.
Das Gespräch führte Gudrun Arnold-Schoenen, Herausgeberin und Chefredakteurin der ElektroWirtschaft. Redaktion: Sven Schneider (freier Redakteur)
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der März-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Als Printabonnent haben Sie fünf Zugriffe auf die digitale Ausgabe inklusive. Stöbern Sie ansonsten in unserem Shop. Übrigens: Das Licht-Special steht Ihnen digital kostenfrei zur Verfügung!