„Das Coronavirus verzeiht keine Fehler und Nachlässigkeiten. So zeigt der aktuelle Rückschlag, dass eine halbherzige Pandemiebekämpfung einen hohen, bei Weitem nicht nur wirtschaftlichen Preis kostet. Doch die deutsche Wirtschaft ist stark, und trotz des scharfen Einschnitts stehen die Strukturen hierzulande bereit zum Durchstarten – dank vielfältiger Initiativen und dem Rückgriff auf eigene Reserven sowie umfangreicher Stabilitätshilfen.“ Dies erklärt Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), zu den Ergebnissen der aktuellen Unternehmensbefragung des Verbandes.
Die Jahresbilanz fällt im Außenhandel wie auch im Großhandel trostlos aus: Angesichts des erneuten Herunterfahrens der Wirtschaften in Europa, das immerhin für gut ein Drittel des weltweiten Güterhandels steht, erwartet der BGA bis zum Jahresende beim Exportrückgang mindestens eine zwölf vor dem Komma. So brach das US-Geschäft bisher um knapp 16 Prozent ein, Großbritannien nahm die Folgen des Brexits vorweg. Die Exporte gingen bislang um 18,5 Prozent zurück. Lateinamerika liegt dar nieder. Einziger Lichtblick sind China und Asien, deren Bedeutung während der Corona-Pandemie weiter gestiegen ist. Nach dem Abschluss des RCEP-Abkommens stellt sich die Frage, ob Europa von der wirtschaftlichen Dynamik in Asien profitieren oder den Anschluss verlieren wird. Im Großhandel sieht es nicht viel besser aus. Sektoral besonders betroffen ist der export- und industriell getriebene Produktionsverbindungshandel, der nach dem dritten Quartal nominal 4,6 Prozent unter dem Vorjahreswert liegt.
Europa muss stärker werden
Eine rasche wirtschaftliche Erholung sei möglich, wenn Impfstoffe ausreichend zur Verfügung stehen und die richtigen Lehren aus der Krise gezogen würden. Börner gibt sich zuversichtlich: „Mehr denn je liegt Deutschlands Zukunft in einem starken Europa, das seine geopolitische Rolle nach und nach annimmt, sich unabhängiger macht und in einer zunehmend multipolaren Welt eigene Akzente setzt, etwa mit neuen Handelsabkommen.“ Dass die Europäische Union und Großbritannien sich sprichwörtlich auf den letzten Metern auf ein Post-Brexit-Handelsabkommen geeinigt haben, sei ein wichtiges Signal für die Wirtschaft, sie in der aktuellen Krisensituation nicht zusätzlich zu belasten. Schließlich werde auch mit einem „weichen“ Brexit eine Vielzahl von Veränderungen auf die Unternehmen zukommen. So steige der bürokratische Aufwand und wiege der Verlust der Waren- und Personenfreiheit ohnehin schwer. Derweil unterstreiche China mit der neuen, weltweit größten Handelszone RCEP nicht nur seinen politischen Führungsanspruch in der Region, sondern auch seine Rolle als globale Gestaltungsmacht. Um nicht den Anschluss zu verlieren und nicht zuletzt zur Diversifizierung der Lieferketten, müsse die EU nun die Verhandlungen über eigene Freihandelsabkommen in der Region energisch vorantreiben, forderte der BGA-Präsident. Im Jahr 2019 exportierten die RCEP-Länder Waren im Wert von 5,5 Billionen US-Dollar in die EU und importierten von dort Waren im Wert von knapp fünf Billionen US-Dollar. Dies entspricht etwa 29 Prozent der weltweiten Warenexporte und rund 26 Prozent der weltweiten Warenimporte. „Die Stärkung europäischer Souveränität und eine breitere internationale Aufstellung sind zwei Seiten derselben Medaille! Schon im eigenen Interesse dürfen wir die viel weniger leistungsstarken, schwer Corona-gebeutelten Schwellen- und Entwicklungs-länder nicht vergessen und abkoppeln“, mahnte Börner, der sich zudem besorgt zeigte wegen explodierender Frachtraten, fehlender Kapazitäten und massiver Probleme auch bei Themen wie der Liefertreue im Schiffsverkehr. „Dringend muss der Rückstau in den Häfen abgearbeitet werden. Gleichzeitig kann es nicht sein, dass die Reedereien diese historische Krise ausnutzen, um den großen Reibach zu machen.“ Scharfe Kritik übte er auch an dem geplanten Lieferkettengesetz, das zu einer weiteren Marktkonzentration führe – Verlierer sei einmal mehr der Mittelstand.
BGA-Unternehmerumfrage: Kurzarbeitergeld und steuerliche Hilfen wichtig
Mit der bisherigen Krisenpolitik sind die Unternehmer ganz überwiegend zufrieden, wie die aktuelle BGA-Unternehmerumfrage zeigt: Nur knapp jeder siebte hält sie für unzureichend. Rund 40 Prozent der Unternehmer erlitten bereits durch den ersten Lockdown erhebliche Umsatzeinbrüche. Nachdem viele Unternehmen in der ersten Phase noch auf ihre Reserven zurückgreifen konnten, sehen sich über 44 Prozent nun von dem zweiten, partiellen Lockdown stärker betroffen, wobei die meisten von ihnen davon ausgehen, dass sie die Krise mit Blessuren überleben. Nur jedes zweite Unternehmen (49 Prozent) hat bislang Hilfen in Anspruch genommen. Fast drei von vier Unternehmen wollen auch weiterhin keine beanspruchen. Zu den in Anspruch genommenen Hilfen zählen ganz besonders das Kurzarbeitergeld (fast neun von zehn Unternehmern) sowie steuerliche Hilfen. „Weitere Hilfen gilt es sparsam auf betroffene Unternehmen zu konzentrieren und nicht auf ganze Branchen, weil diese in den meisten Fällen viel zu heterogen sind. Steuererhöhungen wie Vermögensteuern, Vermögensabgabe oder Reichensteuer sind das völlig falsche Signal. Sie belasten das Eigenkapital, das zum Erhalt und der Zukunftssicherung der Unternehmen dringend benötigt wird. Wichtiger denn je ist dagegen eine Modernisierung des Unternehmenssteuerrechts, um die Belastung an das internationale Niveau heranzuführen“, so Börner abschließend.