Das dritte Dürrejahr in Folge in Deutschland, verheerende Waldbrände in Australien und Kalifornien, Rekordtemperaturen am Nord- und Südpol – die Warnungen der Wissenschaft werden Realität. Es ist daher gut, dass sich trotz COVID-19-Pandemie beim Klimaschutz zuletzt viel getan hat: Nicht nur die Europäische Union, Großbritannien, Japan, Südkorea und viele US-Bundestaaten haben Klimaneutralität bis 2050 als Ziel formuliert, auch China bekennt sich zur Klimaneutralität vor 2060.
Das Paradigma der Klimaneutralität erfordert neue Zwischenziele für 2030, sowohl in Deutschland als auch in Europa. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass Europa sein 2030-Klimaschutzziel von 40 Prozent auf mindestens 55 Prozent weniger Emissionen erhöht, Dänemark will sogar minus 70 Prozent erreichen. Die Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und die Stiftung Klimaneutralität haben diese Ergebnisse in der Studie „Klimaneutrales Deutschland“ veröffentlicht.
1.Wie kann das funktionieren, ein Deutschland ohne Kohle, Erdöl und Erdgas zu schaffen? Und was ist dafür in den kommenden zehn Jahren nötig? Wir haben Prognos, das Öko-Institut und das Wuppertal Institut damit beauftragt, ein machbares Szenario für ein klimaneutrales Deutschland zu entwickeln, mit Wirtschaftlichkeit, Wahrung der Investitionszyklen und Akzeptanz als Kernkriterien. Das Ergebnis: Klimaneutralität 2050 und ein neues deutsches Zwischenziel von minus 65 Prozent Treibhausgase bis 2030 sind machbar, brauchen aber eine komplett andere Gangart in der Klimapolitik. Was das genau bedeutet, zeigt dieser Bericht. Ein klimaneutrales Deutschland 2050 ist technisch und wirtschaftlich im Rahmen der normalen Investitionszyklen in drei Schritten realisierbar.
In einem ersten Schritt sinken die Emissionen bis 2030 um 65 Prozent. Der zweite Schritt nach 2030 ist der vollständige Umstieg auf klimaneutrale Technologien, sodass die Emissionen um 95 Prozent sinken. In einem dritten Schritt werden nicht vermeidbare Restemissionen durch CO2-Abscheidung und -Ablagerung ausgeglichen.
2. Der Weg in die Klimaneutralität ist ein umfassendes Investitionsprogramm, vergleichbar mit dem Wirtschaftswunder in den 1950er/60er-Jahren.
Kernelemente sind eine Energiewirtschaft auf Basis Erneuerbarer Energien, die weitgehende Elektrifizierung, die smarte und effiziente Modernisierung des Gebäudebestands sowie der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft für die Industrie. Dies steigert zugleich die Lebensqualität durch weniger Lärm und Luftschadstoffe.
3. Das als Teil des European Green Deal angepasste deutsche 2030-Klimaziel von minus 65 Prozent Treibhausgase bedeutet eine deutliche Beschleunigung der Energie-, Verkehrs- und Wärmewende.
Dazu gehören bis 2030 der vollständige Kohleausstieg, ein Erneuerbaren-Anteil am Strom von etwa 70 Prozent, 14 Millionen Elektroautos, 6 Millionen Wärmepumpen, eine Erhöhung der Sanierungsrate um mindestens 50 Prozent sowie die Nutzung von gut 60 TWh sauberen Wasserstoffs.
4. Die Weichen für Klimaneutralität 2050 und minus 65 Prozent Treibhausgase bis 2030 werden in der nächsten Legislaturperiode gestellt.
Das Regierungsprogramm nach der Bundestagswahl 2021 ist von zentraler Bedeutung. Kluge Instrumente und Politiken modernisieren Wirtschaft und Gesellschaft Deutschlands in Richtung Resilienz und Zukunftsfähigkeit. Gleichzeitig gestaltet gute Politik den anstehenden Strukturwandel so, dass er inklusiv ist und alle mitnimmt.