Im Interview mit der ElektroWirtschaft blickt Mark Oliver Schreiter, Geschäftsführer Erco, auf das aktuelle Jahr zurück und erklärt die Strategie und das Geschäftsmodell für den Weg heraus aus der Krise. Er bewertet außerdem die Bedeutung der Digitalisierung für die Lichtbranche und gibt einen Ausblick auf die zukünftigen Trends.
ElektroWirtschaft: Die Corona-Pandemie sorgt nach wie vor für Unsicherheit in den internationalen Märkten. Wie haben Sie die vergangenen Monate erlebt und wie stellt sich die Situation aktuell für Sie dar?
Mark Oliver Schreiter: Während wir auf dem chinesischen Markt schon die ersten Erfahrungen mit den Auswirkungen des Corona- Virus gemacht haben, lief in Deutschland das erste Quartal bei Erco noch sehr gut. Die Welle erwischte uns in Deutschland dann voll im zweiten Quartal. Seit dem dritten Quartal spüren wir einen ganz klaren Trend zur Wiederbelebung. Insgesamt gesehen haben wir trotz aller Herausforderungen unseren Betrieb am Laufen gehalten – auch die Umsätze, obwohl diese nicht ganz unseren ursprünglichen Erwartungen entsprachen. Für das vierte Quartal erwarten wir nun eine positive Entwicklung und wir können viele Dinge aufholen, die liegen geblieben sind oder verschoben wurden. In diesen schwierigen Zeiten gab es für uns aber trotzdem ein ganz besonderes Highlight: Die Akropolis erstrahlt jetzt im Licht von Erco. Diese Projekt-Realisierung hat uns neben allen Herausforderungen in dieser Zeit auch viel Mut gemacht.
ElektroWirtschaft: Die Digitalisierung hat in diesem Jahr einen großen Schub bekommen, spiegelt sich das auch bei Erco wider?
Mark Oliver Schreiter: Ich würde sagen, bei uns sogar ganz besonders: Wir sind in Europa breit aufgestellt. 80 Prozent unseres Geschäftes machen wir außerhalb Deutschlands. In den Märkten, die von dem Lockdown betroffen waren, ist unsere Organisation sehr früh vollständig auf digitale Kanäle umgestiegen. Es ist wirklich faszinierend, welchen Schub die Digitalisierung hier erfahren hat. Wir haben die Tools für digitalisiertes Arbeiten, zum Beispiel Homeoffice und Online-Konferenzen mit Teams, schon lange eingeführt. Aber die Bereitschaft, diese auch zu nutzen, war in diesem Jahr vor allem für die Kommunikation mit dem Kunden sehr viel stärker. Die große Lehre, die wir aus der Corona-Pandemie ziehen können, ist, dass Online-Wege wirklich Sinn machen. Viele Gespräche kann man so sehr zeiteffizient abwickeln. Aber wir brauchen auch weiterhin den direkten persönlichen Kontakt mit dem Kunden – vor allem wenn es darum geht, neue Geschäfte abzuschließen und Vertrauen aufzubauen.
ElektroWirtschaft: Hat Ihnen die hohe Fertigungstiefe mit Produktion in Deutschland geholfen, besser durch die Krise zu kommen?
Mark Oliver Schreiter: Ja, das war ein großer Vorteil. Denn wir behielten die Kontrolle über die Produktions- und Angebotskette und waren nicht komplett abhängig von den weltweiten Entwicklungen des Marktes. Wir konnten uns auf unsere Engpässe konzentrieren und diese ausgleichen. Vielleicht hat es uns auch geholfen, dass wir einen sehr guten Draht zum chinesischen Markt haben. Sensibilisiert für das, was auf uns zukommen wird, haben schon früh ein Analyse-Programm durchgeführt, um Lagerkapazitäten aufzubauen. So hatten wir im ganzen Jahr keine Lieferprobleme.
ElektroWirtschaft: Die Lichtbranche steht unter starkem Druck, insbesondere durch Player aus dem asiatischen Raum. Was setzen Sie dem entgegen?
Mark Oliver Schreiter: Bei Erco haben wir uns auf maßgeschneiderte individuelle Lichtlösungen spezialisiert. Uns ist es gelungen, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, dass sich rechnet und unternehmerisch Sinn macht. So sind wir auch in der Lage unseren asiatischen Kunden Lösungen anzubieten, die sie in ihrem eigenen Markt nicht erhalten. Wenn es darum geht, große Stückzahlen gleicher Produkte zu generieren, können wir uns gegen die asiatischen Anbieter schwer behaupten. Mit maßgeschneiderten, hochqualitativen Lösungen für den heimischen und den globalen Markt hingegen können wir punkten.
ElektroWirtschaft: Ist es da eher eine Bürde oder ein Vorteil, ein deutsches mittelständisches Unternehmen zu sein?
Mark Oliver Schreiter: Ganz egal, ob Konzern oder Mittelständler: Das Geschäftsmodell muss stimmen. Aber Mittelständler haben eben nicht nur die reinen Zahlen im Kopf, sondern richten ihr Geschäft sehr viel langfristiger aus. Das bedeutet zum Beispiel auch, sich für Krisenzeiten Reserven anzulegen. Diese Langfristigkeit liegt auch an unserem Wertesystem. Und auch daran, dass wir unser Geschäft lieben. Wir glauben an das, was wir tun und kämpfen auch dafür. Hochmotivierte Mitarbeiter treiben unsere innovativen und maßgeschneiderten Lösungen voran und begeistern damit unsere Kunden. Der Mittelstand ist in der Lage, nicht nur Kundenwünsche zu erfüllen, sondern auch neue zu wecken.
ElektroWirtschaft: In einem Interview mit der ElektroWirtschaft vor zwei Jahren sagten Sie, dass eine projekt- und dienstleistungsorientierte Distribution ein essentieller Erfolgsfaktor für die Digitalisierung sei. Wo steht der Elektrogroßhandel heute?
Mark Oliver Schreiter: Von unserer Seite kann ich sagen: Der Großhandel ist nicht auf den Massenmarkt reduziert, sondern ist auch im Projektgeschäft stark. Der Markt hat mittlerweile zwei Pole entwickelt: Neben der großen flächendeckenden Distribution beherrschen viele Großhändler die gezielte Distribution im Projektgeschäft sehr gut und können mit gezielt geschnürten Paketen auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden eingehen.
ElektroWirtschaft: Wurde die Zusammenarbeit mit dem Elektrogroßhandel durch die Krise gestärkt?
Mark Oliver Schreiter: Auf jeden Fall! Wenn langjährige Partner mit gemeinsamen Vertriebsmodellen gemeinsam durch eine Krise gehen und sich bewähren, dann ist die Motivation auf beiden Seiten umso größer. Der digitale Weg, den Erco gemeinsam mit dem Großhandel eingeschlagen hat, war ganz sicher der richtige und er wird auch in der Zukunft Bestand haben. Krisen sind Zeiten der Bewährungsprobe, Zeiten, in denen man die Kontinuität seines Geschäftes testen muss – und Zeiten, aus denen man gemeinsam gestärkt hervorgeht.
ElektroWirtschaft: Sie haben bereits 2015 ausschließlich auf LED gesetzt, ein Schritt, den Sie heute wieder machen würden oder waren Sie zu früh für den Markt?
Mark Oliver Schreiter: Zu früh ist immer besser als zu spät. Wir haben 2013 über 70 Prozent unseres Umsatzes mit LED-Produkten gemacht, ein Jahr später schon über 90 Prozent. Darum haben wir uns dann für den Weg komplett in die LED-Welt entschieden. Wenn man den Willen der Kunden kennt, dann muss man reagieren und sich neu organisieren. Meine Antwort auf Ihre Frage lautet also: Ja! Unser Fokus liegt auf dem Kunden, darum würden wir diesen Schritt immer wieder machen und der Zeitpunkt war richtig.
ElektroWirtschaft: Wie entwickelt sich die Lichtbranche aktuell?
Mark Oliver Schreiter: Ich denke, der Trend in der Lichtbranche geht weiter stark in Richtung spezifische Lichtlösungen. Eigentlich ist in allen Bereichen die Tendenz zur Individualisierung groß. Dieser Markt ist für europäische Anbieter so interessant, weil hier Qualität und Digitalisierung wichtig sind und der Fokus auf dem Kunden und dem Anwender liegt. Im konventionellen Bereich ist es schwieriger, sich gegen die asiatische Konkurrenz zu behaupten. Die Megatrends wie Connectivity, Smart Home, Smart Building, digitale Lichtlösungen, Individualisierung und modulare Anpassungen laufen weiter. Und alle Unternehmen, die sich in diese Richtung entwickeln, werden im wahrsten Sinne des Wortes eine leuchtende Zukunft haben.
ElektroWirtschaft: Wie präsentieren Sie Elektrogroßhandel und -handwerk vor dem Hintergrund ausfallender Messen aktuell Ihre Neuheiten?
Mark Oliver Schreiter: Durch die Absage der Light + Building haben wir sofort versucht, die Dinge so zu lenken, dass wir agieren können. Hier haben wir davon profitiert, dass wir bereits seit Jahren eine starke Online-Präsenz haben. Also mussten wir nur noch Informationspakete schnüren und diese interaktiv unseren Kunden und dem Elektrogroßhandel zur Verfügung stellen. Beispielsweise haben wir Live-Webinare und Videos in allen Bereichen massiv ausgebaut und auf diesem Wege unsere Produkte präsentiert. Der Zuspruch hat uns hier wirklich überwältigt, damit hätten wir anfangs gar nicht gerechnet. Ich glaube, dass zukünftig ein großer Teil der Kundeninformation ganz bewusst über diese digitalen Medien stattfinden wird. Bei persönlichen Treffen kann man sich dann wirklich ganz gezielt auf spezifische Fragen konzentrieren.
ElektroWirtschaft: Was ist Ihr Ausblick für das Jahr 2021?
Mark Oliver Schreiter: 2020 läuft nicht nach Plan, nicht alle Ziele werden wir erreichen. Aber in das Jahr 2021 starten wir frisch gestärkt mit einem Auftragspolster. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir so mit einem starken Umsatz das Niveau von 2019 erreichen. Wir investieren sehr stark in die digitale Zukunft und in die digitale Kommunikation. So kann das Erco-Lichtgeschäft in Zukunft weiterwachsen.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der November-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Als Printabonnent haben Sie fünf Zugriffe auf die digitale Ausgabe inklusive. Stöbern Sie ansonsten in unserem Shop.