Im Interview mit der ElektroWirtschaft sprechen Christopher Mennekes, Geschäftsführender Gesellschafter MENNEKES Elektrotechnik GmbH & Co. KG, und Volker Lazzaro, Geschäftsführer Technik, über die Entwicklung der Elektromobilität, ihr Lösungskonzept und die Chancen für den Elektrogroßhandel.
ElektroWirtschaft: Für das Erreichen der Klimaziele sollen bis 2030 mindestens sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. Zudem sollen im gleichen Zeitraum eine Million Ladepunkte zur Verfügung stehen. Ein realistisches Ziel?
Christopher Mennekes: Es ist ein ambitioniertes, aber notwendiges Ziel. Der Verkehrssektor hatte in der Vergangenheit wenig für das Erreichen der Klimaziele beigetragen. In den nächsten Jahren wird sich das ändern. Das sieht man besonders an der Förderkulisse, die sowohl für Fahrzeuge als auch für Ladeinfrastruktur geschaffen wurde. Mit diesen Möglichkeiten und der allgemeinen Aufbruchstimmung, die man im Markt spüren kann, wird das Thema Elektromobilität weiteren Aufschwung erhalten. Erkennbares Zeichen sind auch die vielen neuen Fahrzeuge, die inzwischen auch höhere Reichweiten erzielen und günstiger werden. Zudem werden die Ladepunkte weiter ausgebaut.
ElektroWirtschaft: Wo sehen Sie derzeit noch die größte Hürde, die die Elektromobilität nehmen muss, um den Verbrennungsmotor endgültig abzulösen?
Christopher Mennekes: Der Verbrennungsmotor ist momentan noch eine wichtige Größe im Mobilitätskonzept – besonders im Bereich der Langstrecke. Ihn komplett abzulösen, wird in den nächsten zehn Jahren wahrscheinlich schwierig werden. Ich glaube aber, dass viele kleinere Elektrofahrzeuge auf den Markt kommen werden, die etwa 95 Prozent der Mobilitätsbedürfnisse abdecken können und somit etliche Kleinwagen mit Verbrennungsmotoren verdrängen. Wenn man den Verbrennungsmotor langfristig ablösen will, benötigt es ein neues Batteriekonzept. Dieses ist in den nächsten zehn bis 15 Jahren zu erwarten. Die Brennstoffzelle sehe ich eher für größere Fahrzeuge, zum Beispiel im Schwerlastverkehr. Zukünftig werden sich mit der Brennstoffzelle aber auch Hybrid- Lösungen realisieren lassen.
Volker Lazzaro: Eine Hürde könnte sein, dass die weltweit verfügbaren Batterie-Kapazitäten nicht ausreichen werden. Derjenige, der genügend Batterie-Kapazitäten gebucht hat, wird auch die entsprechenden Fahrzeuge liefern können.
ElektroWirtschaft: Wer künftig größere Gebäude baut, muss an die Infrastruktur für Ladestationen denken. Welche Bedeutung hat das Anfang des Jahres beschlossene Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für den weiteren Markthochlauf der Elektromobilität?
Volker Lazzaro: Im Grunde genommen wird dadurch nur festgelegt, dass die Gebäude für die Elektromobilität vorgerüstet sein müssen. Wenn diese Vorrüstungen bereits in den Neubauten vorhanden sind, dann wird man zukünftig spürbar weniger für die Installation zahlen müssen und damit einfacher in die Elektromobilität einsteigen können. Das Gesetz ist sehr hilfreich, aber eine festgelegte Quote für Mehrfamilienhäuser oder Bürogebäude, die mit Ladeinfrastruktur ausgestattet werden, wäre noch hilfreicher.
Christopher Mennekes: Auch die Verabschiedung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) wird hier weiteren Schwung bringen. So soll jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf bekommen, ihm auf eigene Kosten den Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug zu gestatten.
ElektroWirtschaft: Wie hat sich ihr Geschäftsbereich Elektromobilität in diesem Jahr entwickelt und welche unternehmerischen Herausforderungen sehen Sie auf Ihr Unternehmen zukommen?
Christopher Mennekes: Wir sind sehr zufrieden – das gilt sowohl für die Ladeinfrastruktur als auch für den Bereich Automotive. Beide Bereiche entwickeln sich positiv und wir werden die gesteckten Ziele am Ende des Jahres voraussichtlich übertreffen. Man sieht, dass der Markt anzieht, das ist nicht nur positiv für uns, sondern auch für die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland insgesamt ein gutes Zeichen.
ElektroWirtschaft: Obwohl die Menschen in den vergangenen Monaten spürbar weniger unterwegs waren, hat die Anzahl der Ladepunkte zugenommen. Welche Auswirkungen hat die Corona- Pandemie auf Ihre geplanten Ziele?
Volker Lazzaro: So schlimm die Corona-Pandemie auch ist, hat sie dazu geführt, dass die Bundesregierung ein großes Konjunkturpaket auf den Weg gebracht hat, welches sehr stark auf nachhaltige Technologien und damit auch auf die Elektromobilität ausgerichtet ist. Davon werden wir profitieren.
ElektroWirtschaft: Wer sich aktuell für den Kauf eines Elektrofahrzeugs entscheidet, erhält unter anderem den Umweltbonus. Welche Formen der Förderung gibt es derzeit und wie wird das Angebot angenommen?
Christopher Mennekes: Es gibt sowohl Bundes- als auch Landesförderung für Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur. Besonders für den Aufbau der Ladeinfrastruktur ist das Land Nordrhein-Westfalen sehr gut positioniert. Die Förderung für Heimladesysteme wurde in den letzten Monaten noch einmal deutlich erhöht und die Möglichkeiten werden sehr gut angenommen. So bekommt die gesamte Branche einen spürbaren Rückenwind.
ElektroWirtschaft: Welche Rolle spielt der Elektrogroßhandel bei der weiteren Verbreitung der Elektromobilität?
Volker Lazzaro: Wir sehen den größten Teil der benötigten Ladeinfrastruktur im Privatbereich als Bestandteil der Gebäudeinstallation und auf den Parkplätzen von Industrie und Gewerbe. Das sind Bereiche, in denen der Elektrogroßhandel und das Elektrofachhandwerk klassisch sehr stark sind. Deshalb sind die Vorzeichen sehr positiv. Allerdings etablieren sich auch zusätzliche Optionen für den Endkunden. Er kann zum Beispiel die Wallbox zusammen mit dem Auto oder kombiniert mit einem Stromvertrag kaufen. Hier entsteht ein ernstzunehmender Wettbewerb. Ich glaube, dass es wichtig sein wird, die Customer-Journey der Kunden zu verstehen, um anschließend an den wichtigsten Touchpoints präsent zu sein. Ich muss zum Beispiel verstehen, dass der Automobilverkäufer eine der ersten Kontaktpersonen für den Interessenten ist. Wenn dieser dann gleichzeitig auch die Heimladestation verkauft, hat der Elektrogroßhandel keine Chance mehr. Umso wichtiger ist es also, den Kunden zu erreichen, bevor er zum Automobilhändler geht. Wenn das gelingt, sind die Chancen für den Elektrogroßhandel sehr groß. In Zukunft wird es notwendig sein, intelligente Systeme in die Gebäudeinfrastruktur einzubinden. Das kann ich nicht online abwickeln, dafür braucht man das Fachhandwerk.
Christopher Mennekes: Wir haben bei Mennekes mit Charge Up Your Day! eine Online-Plattform geschaffen, auf der wir Endkunden beraten, da wir festgestellt haben, dass die Kunden noch zu wenig über das Thema Elektromobilität wissen. Nach dieser Beratung bringen wir den Kunden in einen Konfigurator. Dort findet er genau das Gerät, dass zu seinen Bedürfnissen passt. Wenn er die Auswahl getroffen hat, kann er über eine Postleitzahlensuche einen Elektrohandwerker auswählen, der die Installation bei ihm zu Hause vornimmt. Der Elektrohandwerker bezieht das Produkt natürlich über den Elektrogroßhandel. Wir informieren online, haben aber trotzdem den dreistufigen Vertriebsweg komplett eingebunden. Das ist ein schönes Beispiel wie man digitale Vorvermarktung und klassische Vermarktung miteinander verknüpfen kann. Ich sehe in diesem Geschäftsfeld sehr große Chancen für Elektrogroßhandel und Elektrohandwerk.
ElektroWirtschaft: Wie wichtig ist dabei der stufenweise Aufbau von vernetzten Ladepunkten auf Parkflächen von Unternehmen?
Volker Lazzaro: Ein nicht unerheblicher Teil der Nutzer hat zu Hause keine Lademöglichkeit. Für sie ist der erste mögliche Punkt, an dem sie ihr Fahrzeug laden können, der Arbeitsplatz. Dort halte ich mich auch am längsten auf – in der Regel acht Stunden. Somit ist es wichtig, hierfür entsprechende Lösungen zu schaffen.
ElektroWirtschaft: Mennekes betrachtet das Laden von Elektrofahrzeugen ganzheitlich und bedient die ganze Kette vom Fahrzeug bis zum Netzanschluss. Wie sieht Ihr Lösungskonzept aus?
Volker Lazzaro: Heutzutage ist es sehr wichtig, eine gute Customer-Experience zu bieten. Gerade die Elektromobilität ist für viele Nutzer noch Neuland. Daher haben wir uns überlegt, dem Kunden nicht nur einfach ein Ladegerät zur Verfügung zu stellen. Wir bieten zu dem Ladesystem vielfältige Zusatzfunktionen. So gibt es zum Beispiel zu unserer AMTRON Heimladestation eine App, mit der eine Solaranlage mit dem Fahrzeug intelligent verknüpft werden kann. Das sorgt dafür, dass immer dann, wenn Sonnenenergie zur Verfügung steht, das Fahrzeug auch damit geladen wird. Wenn man seinen Dienstwagen zu Hause laden kann, möchte man die hereingeladene Energie auch vergütet bekommen. Mit unserer App lässt sich die Dienstwagen-Abrechnung einfach organisieren. Das gleiche funktioniert auch im Bereich Industrie und Gewerbe. Dort können wir ein Lastmanagement bieten, welches dynamisch auf die Rahmenbedingungen des Unternehmens reagieren kann. Zudem können wir die Abrechnung der abgegebenen Energie einfach und unkompliziert abwickeln.
ElektroWirtschaft: Mennekes hat seine neu entwickelte eichrechtskonforme AC-Ladesäule Amedio vorgestellt. Welche technischen Neuerungen bietet das System?
Volker Lazzaro: Amedio ist unsere Ladestation für Unternehmen und Gewerbe. Sie ist genau auf die dortigen Bedürfnisse zugeschnitten. Neu ist zum Beispiel die Plug & Charge-Funktion. Diese Technologie ermöglicht den Nutzern von Elektrofahrzeugen den komfortablen Zugang zum Fahrstrom ohne Ladekarte oder App. Die Funktion bietet beim Ladevorgang einen enormen Zugewinn an Komfort und Alltagstauglichkeit, weil der Autorisierungsvorgang automatisiert wird, das heißt, ein im Fahrzeug hinterlegter Fahrstromvertrag wird beim Anstecken des Ladekabels mithilfe einer Vertrags-ID erkannt und autorisiert sich so quasi selbst.
ElektroWirtschaft: Außerdem haben Sie in diesem Jahr mit Ativo eine Lösung vorgestellt, mit der Sie die Ladepunkte über eine Cloud managen und die Abrechnung der Ladevorgänge abwickeln. Welchen Mehrwert bietet das System?
Volker Lazzaro: Wenn Sie sich mit dem Thema Abrechnung von Energie über Ladesysteme beim Arbeitgeber oder im Gewerbebereich genauer beschäftigen, dann werden Sie immer wieder mit folgendem Punkt konfrontiert: „Es ist kompliziert.“ Wir haben uns daher vorgenommen, diese Situation zu verbessern und haben das Abrechnen beim Arbeitgeber einfach gestaltet. Und zwar in der Form, indem wir ein Ladesystem in Verbindung mit unserem Service anbieten. Der Elektroinstallateur nimmt das System in Betrieb und jeder einzelne Ladepunkt wird online registriert. Nach der Registrierung kann der Ladepunkt von jedem, der eine roamingfähige Ladekarte besitzt, in einem genutzt werden. Der Arbeitgeber wird sich fragen, wie er sein Geld rückvergütet bekommt, wenn jemand bei ihm Energie „getankt“ hat. Damit braucht sich der Arbeitgeber jedoch nicht mehr zu beschäftigen. Das Besondere an Ativo ist, dass wir jeden Ladevorgang vergüten. Jeder Ladevorgang, bei dem Energie abgegeben wurde, wird von uns erfasst wir vergüten ihn dem Arbeitgeber und berechnen ihn dem Elektroautofahrer.