Phishing-Mails, Betrugs-Websites und Erpressungs-Software – nur eine kleine Auswahl aus dem Arsenal, mit dem es Kriminellen immer wieder gelingt, Unternehmenssysteme zu kapern und so schwere Schäden anzurichten. Dennoch ist einem großen Teil des deutschen Mittelstands die Bedrohungslage durch Cyber-Risiken nicht vollständig bewusst. Das ist eines der Ergebnisse der Studie „Cyber Security im Mittelstand“, für die Deloitte Private insgesamt 353 Gesellschafter und Führungskräfte großer mittelständischer Unternehmen zu den Herausforderungen, Chancen und Risiken von Cyber-Sicherheit befragt hat. Längst stehen nicht mehr nur Großunternehmen im Fadenkreuz von Hackern und Cyberkriminellen, auch Mittelständler geraten zunehmend ins Visier. Gerade für sie können Cyber-Angriffe besonders schnell zu existenzbedrohenden Situationen führen.
Kein uneingeschränktes Problembewusstsein
Insgesamt 42 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass das Thema Cyber-Security für sie eine lediglich mittlere bis sehr niedrige Priorität besitzt. Nur etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent) der befragten Manager und Gesellschafter ist zudem der Meinung, dass Cyber-Risiken eine hohe bzw. sehr hohe Bedeutung für die Unternehmenssteuerung haben. Mit Blick auf das spezifische Know-how, über das vor allem kleine und mittlere Unternehmen verfügen, kann sich mangelndes Problembewusstsein als folgenschwer erweisen: „Der starke weltweite Anstieg von Cyber-Kriminalität im Zusammenhang mit COVID-19 und die daraus entstandenen Schäden zeigen aktuell wieder, wie wichtig hohe Awareness für Cyber-Risiken in Unternehmen ist“, betont Lutz Meyer, Partner und Leiter von Deloitte Private. „Gerade deutsche Mittelständler stellen mit ihrer Bandbreite an innovativen Geschäftsmodellen und der hohen Zahl an Patentanmeldungen lukrative Ziele für Angreifer dar.“ Immerhin: Der Anteil der Unternehmen, die dem Thema Cyber Security eine hohe bis sehr hohe Relevanz zuweisen, steigt von aktuell 50 auf zukünftig 83 Prozent.
Der unsichtbare Feind
Dass Kriminelle unbemerkt in die IT-Infrastruktur eines Unternehmens eindringen – lange bevor sie ihren „eigentlichen“ Angriff starten – macht es für Betroffene schwer, Cyber-Attacken überhaupt rechtzeitig zu entdecken. Passend hierzu sehen die Studienteilnehmer im Fall von Cyber-Attacken die mangelnde Reaktionsgeschwindigkeit als größte Herausforderung an (57 Prozent), dicht gefolgt von der Identifikation eines Angriffs (50 Prozent). 53 Prozent geben an, dass sie durchschnittlich bis zu sieben Tage benötigen, um einen Angriff auf die eigenen Systeme zu erkennen. Genügend Zeit für Hacker, um deren IT-Infrastruktur zu screenen und z.B. Schadsoftware zu installieren, für 67 Prozent der Befragten die Attacke mit dem größten Schadenspotenzial.
Vor diesem Hintergrund umso bedenklicher: 49 Prozent der Unternehmen wissen nicht, wie sie Cyber-Risiken finanziell bewerten sollen, lediglich zwölf Prozent sind in der Lage, Risiken ökonomisch zu quantifizieren. Darüber hinaus können nur 43 Prozent der Befragten einen Cyber-Notfallplan, der die wichtigsten Maßnahmen zur Sicherung von Handlungsfähigkeit und Liquidität infolge eines Angriffs festhält, vorweisen.
„Schwachstelle Mensch“
Geht es darum, Cyber-Attacken vorzubeugen, deuten die Ergebnisse auf eine entscheidende Rolle der Beschäftigten hin: 61 Prozent der Studienteilnehmer geben ein fehlendes Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeiter als größte Herausforderung bei der Abwehr von Cyber-Risiken an. Auch bei der Frage nach den größten Sicherheitslücken sind ungeschulte Mitarbeiter laut Ansicht der Befragten die Hauptgefahrenquelle (51 Prozent), weit vor der Nutzung mobiler Endgeräte (37 Prozent) oder Social-Media-Aktivitäten (26 Prozent). Außerdem stufen die befragten Manager und Gesellschafter den Informationsgrad der eigenen Mitarbeiter zu sicherheitsrelevanten Cyber-Themen durchweg als mittel bis niedrig ein, etwa im Bereich Passwortsicherheit (62 Prozent) oder Identitätsmanagement (72 Prozent).
„Den deutschen Mittelstand kennzeichnet neben seiner Innovationskraft auch eine tradierte Belegschaft, die oft noch nicht ausreichend für Cyber-Risiken sensibilisiert ist“, so Lutz Meyer. „Um individuelles Fehlverhalten von Mitarbeitern zu minimieren, können neben der Erhöhung des Schulungsniveaus auch aktive Übungen wie Red Teaming oder War Gaming die Aufmerksamkeit deutlich erhöhen.“
Quelle: Deloitte