Im Interview mit der ElektroWirtschaft sprechen die Vorstandsmitglieder von KNX Deutschland Johannes Hauck (Hager Group), Ullrich Fichtner (Jung) und Markus Fromm-Wittenberg (Gira) über den Erfolg von KNX, die aktuelle Nachfrage und die weitere Entwicklung des Standards.
ElektroWirtschaft: Was macht KNX so erfolgreich?
KNX Deutschland: Die garantierte Interoperabilität der KNX-Produkte und die daraus resultierende Zusammenarbeit von mehr als 470 Mitgliedsunternehmen in der KNX Assoziation sind die größten Erfolgsfaktoren. Dies ist die Basis für erfolgreiche und innovative Produkte – und das weltweit seit mehr als 30 Jahren.
ElektroWirtschaft: Was war für Sie der bedeutendste Meilenstein in der Geschichte von KNX?
KNX Deutschland: Für uns gab es da einige – zum Beispiel die Gründung der EIBA in den 1990ern. Mit der Konvergenz von drei Systemen zum KNX wurde der Grundstein des Erfolgs gelegt. Man hat erkannt, dass wir in Europa auch auf der Systemseite enger zusammenrücken müssen. Entscheidend sind auch die vielen Standardisierungen – insbesondere die EN 50090, auf die sich Fachplaner berufen können, wenn sie ein System für die Gebäudesystemtechnik ausschreiben.
Der bedeutendste Meilenstein für uns ist allerdings kein Meilenstein im eigentlichen Sinne: Es ist vielmehr die Zusammenarbeit von Industrie, Systemintegratoren und Elektrohandwerk. Sie hat diesen Standard zu dem gemacht, was er heute ist und in Zukunft noch sein wird.
ElektroWirtschaft: Welche Neuerungen sind geplant?
KNX Deutschland: Die anstehenden Neuerungen sind wie immer kontinuierliche Weiterentwicklungen des KNX-Systems. Sie sollen helfen, den Herausforderungen gerecht zu werden, denen wir in dieser komplexen Welt täglich gegenüberstehen. In diesem Zusammenhang sind das Internet der Dinge (IoT) und ein intelligentes technisches Gebäudemanagement zu nennen. Aber auch die Erfüllung von Forderungen, die an moderne Gebäude von deren Bewohnern durch künftige Dienste und Serviceleistungen gestellt werden. All das setzt eine funktionierende, interoperable und nachhaltige Infrastruktur voraus, die zugleich auch Basis für neue Geschäftsmodelle ist. Der KNX ist hierbei ein wichtiger Infrastrukturbaustein.
ElektroWirtschaft: Viele Menschen haben die Corona-Krise genutzt und in Technik und Maßnahmen investiert, die ihr Zuhause komfortabler oder auch smarter machen. Bemerken Sie dies auch für KNX-Anwendungen?
KNX Deutschland: An der Auftragslage des Elektrohandwerks und der Systemintegratoren lässt sich ablesen, dass sich zurzeit viele Menschen mit den Vorteilen einer Gebäudeautomation auseinandersetzen und diese auch vermehrt nachfragen. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, die sicherlich nicht zuletzt dem Umstand geschuldet ist, dass viele Menschen in Deutschland und Europa aktuell mehr Zeit Zuhause verbringen. Vor diesem Hintergrund werden natürlich auch KNX-Systeme stärker nachgefragt. Das ist für uns jedoch keine Überraschung. Denn wer langfristig und nachhaltig plant, kommt schnell zu der Erkenntnis, dass KNX-Systeme die beste Wahl sind.
ElektroWirtschaft: Es heißt immer, KNX ist viel zu teuer. Wie kann deutlich werden, dass KNX nicht teurer ist als zum Beispiel die proprietären Lösungen vieler Hersteller und dabei einen sehr viel größeren Funktionsumfang bietet?
KNX Deutschland: Hierbei ist die Planung von entscheidender Bedeutung. Ist sie an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, macht sie die Vorteile des KNX ganz schnell sichtbar. Wir ziehen hier gerne den Vergleich zur Konfiguration eines Autos. Der Käufer bestimmt seine Bedürfnisse und legt die Schwerpunkte dementsprechend auf Sicherheit, Komfort, Entertainment, Nachhaltigkeit oder etwas Sonstiges. Der Preis richtet sich somit nach der Ausstattung und der damit einhergehenden Auswahl der Produkte.
Anders als beim Auto können beim KNX jedoch ganz leicht die Voraussetzungen für spätere Nachrüstungen geschaffen werden – beispielsweise falls das aktuelle Budget nicht für alle Wünsche reichen sollte. Hierzu muss man nur die entsprechende Infrastruktur vorsehen. Damit hat der Bauherr die Option, den KNX bei Bedarf nachzurüsten. Und selbst wenn man das versäumt haben sollte, gibt es immer noch die KNX RF Lösung, mit der man auch alte Gebäude auf einen modernen Stand bringen kann. Ein Invest in den KNX ist damit immer eine nachhaltige und langlebige Systemlösung, die mit den wachsenden Ansprüchen über viele Jahre hinweg Bestand hat und wachsen kann. Das verlagert den Fokus auf die Bedürfnisse und relativiert den Preis.
ElektroWirtschaft: Wie zeitaufwendig ist es, KNX zu lernen? Wie können Elektrobetriebe ihre Umsatzmöglichkeiten durch KNX steigern?
KNX Deutschland: Das Erlernen des KNX ist wirklich sehr einfach. Es gibt zertifizierte Schulungseinrichtungen, die dem Elektrohandwerker alle erforderlichen Kenntnisse vermitteln. Das dauert je nach Seminarkonzept in der Regel nicht länger als drei bis fünf Tage. Zudem besteht immer auch die Möglichkeit, mit KNX-Systemintegratoren zu kooperieren. Wichtig ist, dass der Bauherr am Ende eine optimale Lösung erhält. Denn dafür ist er in den allermeisten Fällen auch bereit, mehr zu zahlen als für eine konventionelle Installation.
ElektroWirtschaft: Das heiß diskutierte Thema ist die Sicherheit vor Hackern. Wie ist Ihre Meinung dazu?
KNX Deutschland: Dieses Thema ist zurzeit in der Tat sehr präsent und wird innerhalb des KNX durch KNX Secure angemessen beantwortet. Diese Lösung ist damit ein weiterer wichtiger Baustein, mit dem KNX im Sinne von Nachhaltigkeit und Sicherheit zum Vorteil des Nutzers punkten kann.
ElektroWirtschaft: Wie wird ein Gebäude in der Zukunft gesteuert werden? Was bedeutet Smart Home für Sie?
KNX Deutschland: Das Gebäude der Zukunft ist ein intelligenter, autonomer und selbstbestimmter Lebensraum. Hierbei steht das Wort „Einfach“ absolut im Vordergrund. Und zwar im Sinne von einfach bedienbar, einfach veränderbar und einfach zu verstehen. Es heißt, der Erfolg von KNX werde in Zukunft immer mehr auch davon abhängen, inwieweit Produkte aus der Consumer Electronic in das System adaptiert oder integriert werden können. Das ist zweifelsohne richtig. Hierbei kommt es jedoch darauf an, die Vorzüge der smarten Technik in seinem Wohnumfeld nutzen zu können, ohne großartig zu merken, dass man in einem smarten Gebäude arbeitet oder lebt. Denn am Ende soll uns die Technik dienen und nicht unseren Alltag bestimmen. Oder anders ausgedrückt: Wir alle möchten doch einfach nur wohnen und uns wohlfühlen – und dazu kann die smarte KNX-Technologie einen großen Beitrag leisten.
ElektroWirtschaft: Welche Argumente könnten hier Endkunden überzeugen?
KNX Deutschland: Durch die Digitalisierung und das damit verbundene Nutzerverhalten verändern sich die Anforderungen zurzeit in einem atemberaubenden Tempo. Daher ist es jetzt umso wichtiger, den KNX fit für die Zukunft zu machen. Deshalb treiben wir Projekte wie KNX IoT mit der einfachen Integration von anderen Systemen und Consumer Electronic aktuell vehement voran. Im Zeitalter von Smart Home und Smart Living sind wir mit dem KNX in einer guten Position, um diesen Wachstumsmarkt gemeinsam mit den Mitgliedsunternehmen und unseren Partnern im Elektrofachhandwerk erfolgreich zu gestalten. Denn wir bieten dem Endkunden ein verlässliches, zukunftsorientiertes und nachhaltiges System – als starke Gemeinschaft aus KNX-Herstellern und KNX-Partnern, von denen der Endkunde immer die beste Lösung bekommt.
ElektroWirtschaft: Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt Modernisierungsmaßnahmen rund um die intelligente Vernetzung von Wohnraum. Welche Förderungsmöglichkeiten gibt es für KNX-Lösungen?
KNX Deutschland: Überall wo technische Lösungen in einer Förderrichtlinie enthalten sind, die mehr Assistenz, mehr Sicherheit oder mehr Energieeffizienz ermöglichen, können auch KNX-Lösungen angerechnet werden.
ElektroWirtschaft: Was ist die größte Herausforderung für KNX in der Zukunft?
KNX Deutschland: Das ist die agile und kontinuierliche Weiterentwicklung des KNX-Standards für die Bereiche Smart Home, Smart Building und Smart Services. All das gepaart mit der Adaption oder Integration von Consumer Electronic bei gleichzeitiger Vereinfachung für Inbetriebnehmer und Endnutzer. Hierin sehen wir unsere größten Herausforderungen für die kommenden Jahre.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der August-Ausgabe 2020 der ElektroWirtschaft. Jetzt digital kostenfrei lesen, mit unserer App oder dem eMagazin.