Über das Lichtgeschäft in der Corona-Krise und künftige Chancen sprach die ElektroWirtschaft mit Roger Karner (49), der zum 1. Juli die Geschäftsführung von Signify in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) übernommen hat. Diese Verantwortung hatte er bereits von 2012 bis 2017 inne, ehe er als Market Leader in die USA berufen wurde. Der gebürtige Österreicher verfügt über langjährige Erfahrung im Großhandel durch seine Zeit bei den Firmen Schneider Electric und Moeller Electric in Österreich, der Schweiz und Frankreich.
ElektroWirtschaft: Als Sie 2017 in die USA gingen, war der Lichtmarkt in der DACH-Region noch ein anderer – auch wenn es schon einen intensiven Transformationsprozess gab. Ist der Druck im Markt noch größer geworden und welche Chancen sehen Sie für Signify heute?
Roger Karner: Auf der einen Seite trifft uns aktuell natürlich alle die Corona-Krise. Auf der anderen Seite ist der generelle Trend in der Lichtbranche – die LED-Transformation – ungebrochen. Im vergangenen Jahr machten bei Signify LED-basierte Verkäufe weltweit bereits knapp 80 Prozent des Gesamtumsatzes aus. In bestimmten Segmenten gibt es noch größeres Potential. Damit haben wir weiter genug zu tun. Daneben hat der Trend zu vernetzten Lichtlösungen mehr Fahrt aufgenommen. Dafür ist Energieeffizienz ein starkes Argument, weil sich die neuen Beleuchtungsanlagen rechnen. Aber wir können noch ganz andere Mehrwerte mit verkaufen: Themen, die mit Licht zusammenhängen, aber auf den ersten Blick nicht damit assoziiert werden. Als Innovationsführer beschäftigen wir uns intensiv damit. Ich spreche von Datenübertragung über Licht mit LiFi, Licht für Gewächshäuser (Horticulture) und Tierhaltung. Ein für die Zusammenarbeit mit dem Elektrogroßhandel sehr spannendes Thema ist auch der 3D-Druck. Wir machen das schon erfolgreich in der Leuchtenproduktion in unseren eigenen „Druckerfarmen“. Wir sprechen mit den Partnern im Handel darüber, wie ein für alle Seiten sinnvolles Geschäftsmodell aussehen kann.
ElektroWirtschaft: Sie wussten, dass Sie bei Ihrer Rückkehr nach Europa keine einfache Aufgabe erwartet – aber die Corona-Krise setzt jetzt noch eins drauf. Welche Konsequenzen spüren Sie in DACH und welche Maßnahmen ergreifen Sie?
Roger Karner: Das Wichtigste war und ist weltweit die Gesundheit unserer Mitarbeiter und Partner. Unsere Vorgaben in Büros, Fabriken und Lagern gehen über das hinaus, was rechtlich als Minimalanforderung vorgeschrieben ist. Wir tragen beispielsweise Masken in den öffentlichen Bereichen der Büros, belegen nur die Hälfte der Arbeitsplätze und haben sehr häufige Reinigungszyklen. Eine positive Erfahrung ist, wie schnell wir als ein sehr agiles und modernes Unternehmen auf Home Office umstellen konnten und wie gut es mit den flexiblen Arbeitsplatzsystemen in den Büros funktioniert.
Unsere Lieferkette war zuerst durch die Schließung der Fabriken in China bedroht und wir mussten uns und unsere Partner auf eine geringere Warenverfügbarkeit einstellen. Glücklicherweise haben wir davon profitiert, dass der Elektrogroßhandel dank seiner Lager viel puffern konnte. Als dann die Phase kam, in der die Nachfrage in Europa und Amerika zurückging, haben wir gerade unsere Produktion in China wieder hochgefahren. Insofern sind wir bisher relativ gut durch die Krise gekommen. Aber diese Situation hat uns gezeigt, dass wir über eine stärker regionale Supply Chain nachdenken müssen. Da ist noch nichts entschieden – aber in diesem Zusammenhang können beispielsweise 3D-Druckverfahren für regionale Produktion eine gewichtige Rolle spielen.
Wie die gesamte Lichtbranche spüren wir natürlich, wenn aufgrund der Corona-Krise Investitionen nicht getätigt oder Baustellen nicht bedient werden können und wenn Schlüsselindustrien wie die Automobilherstellung leiden. Wir sehen gerade gewisse Zeichen einer Entspannung, aber ich bezweifle, dass wir bald wieder so dastehen werden, wie vor der Krise. Ich denke, wir müssen die nächsten Quartale sehr agil bleiben und gleichzeitig an unseren Zukunftsthemen weiterarbeiten. Es gibt auch Wachstumschancen durch Corona: beispielsweise beim Thema Licht für Gewächshäuser. In New York City gibt es jetzt sogar Projekte für Vertical Farming in Hochhäusern.
Interessant ist auch, dass jetzt plötzlich eine Technologie wieder stark gefragt ist, die wir bereits über 35 Jahre lang anbieten. Wir haben jetzt die Bestätigung der Universität Boston bekommen, dass UVC-Strahlung Corona-Viren zu 99,99 Prozent abtötet, was die Desinfektion von Luft, Oberflächen und Objekten ermöglicht. Das funktioniert in unzähligen Anwendungsbereichen von Einkaufswägen über Busse bis zu allen Arten von Innenräumen. Aktuell sind das keine Produkte von der Stange. Mit unserer Expertise unterstützen wir spezialisierte Hersteller dabei, Lösungen zu finden, mit der eine gesundheitsgefährdende direkte Bestrahlung von Menschen ausgeschlossen ist. Es wird in Zukunft aber möglicherweise auch standardisierte Geräte geben, die auch über den Elektrogroßhandel vertrieben werden können.
ElektroWirtschaft: Können Sie jetzt Erfahrungen nutzen, die Sie in den Change- und Entwicklungsprozessen im US-Markt gemacht haben? Wie haben die drei Jahre dort Sie fachlich und menschlich geprägt?
Roger Karner: Die USA waren jetzt das fünfte Land, in dem wir gelebt haben und das hat uns als Familie sehr bereichert. Die Amerikaner, die uns herzlich in ihre Kreise aufgenommen haben, haben wir als sehr warmherzig empfunden. Beruflich hat mich in Amerika der riesige Optimismus beeindruckt – im Kontrast zu meiner Mentalität als Österreicher, mit der ich oft erst Risiken sehe. Das ist natürlich auch wichtig, aber in den USA ist es einfach umgekehrt: Da gilt „The sky is the limit!“ und egal um welche Problemstellung es sich handelt, es wird immer sofort eine Chance gesehen.
Weil da so viel positives Denken ist, sind uns die Amerikaner auch bei der Technologiefreudigkeit einen Schritt voraus. Ich bin davon überzeugt, dass wir Europäer davon lernen können. So kann Signify als Innovationsführer mehr Anreize setzen – zum Beispiel mit Testräumen. Wir können Endanwendern zum Beispiel anbieten, LiFi einfach einmal auszuprobieren und selbst zu sehen, wie groß die Vorteile sind.
Und last but not least denke ich, wir können auch von der extrem hohen Kundenorientierung in den USA lernen. Auch in der Lichtbranche sind die Erwartungen der Kunden extrem hoch. Da werden bei den Kenngrößen für den Servicegrad einfach ein oder zwei Punkte mehr gefordert als in Europa. Das gilt für die Lieferfähigkeit genauso wie für die Lieferzeit. Die Einstellung „Customer First“, die in den USA tagtäglich gelebt wird, hat mich auf jeden Fall stark geprägt und in meiner neuen Verantwortung will ich unsere Kundenzufriedenheit weiter steigern.
ElektroWirtschaft: Welches sind die großen Trends, die Sie in den kommenden Jahren in DACH noch stärker vorantreiben wollen?
Roger Karner: Neben den bereits erwähnten Technologietrends LED-Transformation, vernetztes Licht und Mehrwert, der über Licht hinaus geht, bin ich absolut überzeugt von der Bedeutung des Themas Service. Da brauchen wir eine noch größere Nähe zu den Kundenwünschen. Da geht es um eine große Bandbreite von schnellen Angebotserstellungen über Servicedienstleistungen bei Installationen (auch „Self-Service“ durch Datenzugriff) bis hin zu Hilfe bei Planungen und Finanzierungslösungen. Idealerweise sollten unsere Angebote so gestaltet sein, dass jeder gleich sagt „Klar, das nehme ich!“ Wir haben bei Signify ein großes Team von kompetenten Lichtexperten. Deren Know-how sollten wir noch besser zur Verfügung stellen. Diese Stärke als Europäer und „Local Player“ in DACH wollen wir gegen Wettbewerber aus anderen Weltregionen nutzen, die nur über den Preis argumentieren. Ich bin jedenfalls offen für jedes Feedback und freue mich, wenn mir unsere Kunden zum Start mitteilen, was wir noch besser machen können.
ElektroWirtschaft: Wie beurteilen Sie die Bedeutung des dreistufigen Vertriebs für Signify? Wird sie wachsen?
Roger Karner: Ich sehe es als Vorteil, dass unsere Partner in DACH mich schon kennen und dass ich seit über 25 Jahren in der Elektro-/Lichtbranche tätig bin. Der dreistufige Vertriebsweg war immer einer meiner wichtigsten Säulen. Das gilt für mich als Person und für Signify als Unternehmen. Wir haben in Österreich kürzlich sogar Geschäft in diesen Kanal transferiert und den Elektrogroßhandel in der DACH-Region in den letzten dreieinhalb Jahren stark gefördert und gemeinsam unsere Kunden entwickelt. Daran ändert sich nichts! Mein Credo ist: Das war so und das bleibt so! Aber natürlich müssen wir uns alle weiterentwickeln, so wie sich unser Geschäft und der Markt weiterentwickeln. Dabei geht es auch um die Frage, welchen Service der Elektrogroßhandel anbieten kann. Da brauchen wir Dialog und gemeinsame Lösungen.
ElektroWirtschaft: Mit welchen Argumenten wollen sie kleine und mittlere Unternehmen in diesem oder nächstem Jahr davon überzeugen, bei einer Beleuchtungssanierung die Chancen von IoT-Lösungen zu nutzen?
Roger Karner: Ich glaube daran, dass wir überzeugenden Mehrwert bieten. Den sieht man in der monatlichen Stromrechnung: LED reduzieren die laufenden Kosten um bis zu 40 Prozent und vernetzte Lösungen nochmal um bis zu 25 Prozent. Unternehmen, die von der Corona-Krise gebeutelt werden, können wir möglicherweise mit Finanzierungslösungen helfen. Wir müssen noch sensibler dafür sein, was die Endkunden gerade für Bedürfnisse haben.
ElektroWirtschaft: Steigt die Bedeutung der Digitalisierung durch die Corona-Krise? Werden persönliche Kontakte weniger wichtig? Gilt das auch für große Messen?
Roger Karner: Weil Endkonsumenten in der Krise viel Zeit zu Hause verbracht haben, konnten wir deutlich erkennen, dass auch mehr Zeit in die Gestaltung der eigenen vier Wände gesteckt und online eingekauft wurde – z.B. unser smartes Lichtsystem Philips Hue. Ich denke die Menschen, die jetzt im Privatleben vermehrt digitale Medien genutzt haben, werden das künftig auch beruflich tun wollen. Wir arbeiten nicht erst seit der Corona-Krise intensiv mit dem Elektrogroßhandel zusammen, damit die Online-Plattformen des Handels schnelle und effiziente Prozesse und Service bieten können.
Unser Verhalten wird sich nachhaltig verändern, aber persönliche Kontakte werden auch wiederkommen. Messen sind hervorragende Möglichkeiten, mit vielen Menschen zusammenzutreffen und es wird der Zeitpunkt kommen, an dem sich das auch wieder richtig anfühlt. Grundsätzlich müssen wir aber jetzt darüber reden, wie die Messen der Zukunft aussehen sollen – ob es vielleicht Sinn macht, sie mit mehr digitalen Teilnehmern zu veranstalten. Wir müssen jetzt unangenehme Fragen stellen und mit intelligenten Köpfen diskutieren und Szenarien aufstellen. Die Light + Building 2022 scheint noch weit weg, aber die Weichen sollten jetzt gestellt werden.
Das Gespräch führte Gudrun Arnold-Schoenen, Herausgeberin und Chefredakteurin der ElektroWirtschaft, Redaktion: Juliane Braun (freie Redakteurin)
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der August-Ausgabe der ElektroWirtschaft. Jetzt digital kostenfrei lesen, mit unserer App oder dem eMagazin.