Drei Fragen und Antworten an Dr. Andreas Gontermann, ZVEI-Chefvolkswirt.
Was bedeutet das Coronavirus für die Weltwirtschaft?
Der Ausbruch des Coronavirus trifft die Weltwirtschaft sehr massiv. Nachdem das globale Wachstum im vergangenen Jahr 2019 mit knapp drei Prozent so gering ausgefallen war, wie seit der Finanzkrise nicht mehr, sollte in diesem und im nächsten Jahr eigentlich eine – wenn auch schwerfällige – Erholung einsetzen. Wegen Corona hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose für China bereits Ende Februar schon wieder kassiert. Jeder Prozentpunkt weniger Wachstum in der Volksrepublik schlägt zu rund einem Fünftel auf die Weltwirtschaft durch. Die OECD hat ihren globalen Ausblick Anfang März deutlich abwärts revidiert. Bekanntlich hat sich das Virus inzwischen weit über China hinaus ausgebreitet. Solange es nicht effektiv eingedämmt werden kann, werden weitere – drastische – Prognoseanpassungen folgen. Fabriken stehen still. Je größer die Unsicherheit, desto stärker die Beeinträchtigung stimmungsabhängiger Nachfragekomponenten, sprich: von Investitionen und langlebigen Konsumgütern. Die noch hinzugekommenen Verwerfungen am Ölmarkt sowie Sorgen vor zunehmenden Insolvenzen und damit Kreditausfällen machen es nicht eben leichter.
Inwieweit ist die deutsche Elektroindustrie betroffen?
Die deutsche Elektroindustrie ist im Grunde doppelseitig betroffen – auf der Nachfrage- und auf der Angebotsseite. Allein China, wo die Pandemie ihren Ausgang nahm: Das Land ist unser größter Exportabnehmer. 2019 beliefen sich die Branchenausfuhren dorthin auf 21,9 Milliarden Euro und damit ein Zehntel der gesamten Exporte. Gleichzeitig ist die Volksrepublik der mit Abstand größte ausländische Lieferant für den deutschen Elektromarkt. Mit 53,7 Milliarden Euro liegen die Einfuhren deutlich höher als die Ausfuhren. Mehr als ein Viertel aller Elektroimporte nach Deutschland stammen aus China. Ein bedeutender Teil davon – gut zehn Milliarden Euro – entfällt auf Vorleistungen und ist somit höchst relevant für die Liefer- und Produktionsketten.
Wie gesagt geht die Betroffenheit mittlerweile weit über die Volksrepublik hinaus. Bereits im Januar waren die gesamten Ausfuhren der deutschen Elektroindustrie um zwei Prozent rückläufig. Das tatsächliche Ausmaß der Corona-Krise wird sich erst ab März in den harten Zahlen widerspiegeln. Der jüngste Einbruch beim Geschäftsklima deutet darauf hin, dass die Wachstumsraten demnächst empfindlich ins Negative gedrückt werden dürften. Zwar hört man, dass die Industrieproduktion in China nach massiven Einbrüchen im Januar und Februar inzwischen wieder anlaufen soll. Wann die ersten Nachholeffekte einsetzen werden, ist derzeit aber völlig offen. Hin wie her wird die Flexibilität der globalen Wertschöpfungsnetzwerke aktuell stark beansprucht.
Wie kann die Konjunkturpolitik auf das Virus reagieren?
Weltweit stehen sowohl die Regierungen als auch die Zentralbanken mit bislang beispiellosen Rettungspaketen bereit, die Wirtschaft vor dem Einbruch zu bewahren und die Auswirkungen des Coronavirus so gut wie eben möglich abzufedern. Die Maßnahmen zielen vor allem darauf ab, eigentlich solvente Firmen zahlungsfähig zu halten und Pleiten zu verhindern. Das in Deutschland nach der Finanzkrise erprobte Kurzarbeitergeld ist ein effektives Mittel. Allerdings sind angebotsseitige Schocks regelmäßig schwieriger zu managen als nachfrageseitige. Auch können Angebotsschocks zu mehr Inflation führen, was die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger dann vor ein Dilemma stellen kann. Zudem gilt es, Spillover-Effekte von der Angebots- auf die Nachfrageseite zu minimieren. Und weil die Geldpolitik schon ziemlich ausgereizt ist, kommt es jetzt umso mehr auf die Fiskalpolitik an. Schließlich führt die Corona-Krise die Anfälligkeit globaler Wertschöpfungsketten vor Augen. Letztere wieder stärker zu regionalisieren bzw. zu lokalisieren, setzte allerdings beträchtliche Effizienzgewinne aufs Spiel.
Quelle: ZVEI