Die Große Koalition aus CDU, CSU, SPD ist mit einem umfangreichen Koalitionsvertrag gestartet und hat Bürgern und Betrieben eine rosige Zukunft in Aussicht gestellt. Am 5. November 2019 hat die Bundesregierung auf etwas über 80 Seiten die Halbzeitbilanz der GroKo vorgestellt. Die Bestandsaufnahme orientiert sich an den 13 Kapiteln des Koalitionsvertrages und führt alle Vorhaben auf, die bis Anfang November 2019 vom Bundeskabinett beschlossen oder bereits in Kraft getreten sind, sich im parlamentarischen Verfahren oder anderweitig in der Umsetzung befinden. In der Tat hat die GroKo die Zeit genutzt, um auch vielfältige steuerliche Maßnahmen auf den Weg zu bringen.
Eine Zwischenbilanz:
• Der Abbau des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Zahler ist auf dem Gesetzesweg und soll als Geschenk unter dem Weihnachtsbaum liegen. Kapitalgesellschaften und viele mittelständische und große Personengesellschaften gehen jedoch leer aus.
• Die verfassungsrechtlich erforderliche Grundsteuerreform ist von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Familien werden bereits seit 2018 bei Kindergeld, Kinderfreibetrag sowie die unteren Einkommensbezieher durch die Abmilderung der Progression entlastet. Für 2021 soll es nach der Bilanz zur Bundestagswahl noch einen Nachschlag geben.
• Baukindergeld und die Mietwohnungs-AfA sind ebenfalls bereits umgesetzt und sollen den Wohnungsbau ankurbeln, was angesichts der knappen Kapazitäten und fehlendem Bauland schwierig umsetzbar sein dürfte. Das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Regelungen – vereinfacht Jahressteuergesetz 2019 genannt – und das dritte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III) sind mit zahlreichen Rechtsänderungen, darunter die Umsetzung der umsatzsteuerlichen Quick Fixes, vom Deutschen Bundestag verabschiedet und haben auch den Segen des Bundesrates erhalten. Viele Detailänderungen bringen Erleichterungen bei der Besteuerung, eine wirkliche Vereinfachung des Besteuerungsverfahren und der Bürokratie ist jedoch weiterhin ausstehend.
Auch viele untergesetzliche Regelungen sind umgesetzt. Dazu zählt eine für die Unternehmen des Elektrogroßhandels, die elektronische Kassen im Einsatz haben, wichtige befristete Nichtbeanstandungsregelung bei der Umsetzung der Kassensicherungsverordnung. Denn rein gesetzlich müs-sen nach der Kassensicherungsverordnung (elektronische) Registrierkassen die Anforderungen nach dem Kassengesetz bzw. der Kassensicherungsverordnung zum 1. Januar 2020 erfüllen. Konkret müssen Kassen künftig eine technische Sicherheitseinrichtung verfügen, die die Geschäftsvorfälle aufzeichnet und einen Kassensturz ermöglicht. Da es dazu noch keine am Markt verfügbare technische Lösung gibt, hat das BMF eine Nichtbeanstandungsregelung bis zum 30. September 2020 herausgegeben.
Die steuerlichen Maßnahmen des Klimapakets sind auf dem Weg: Änderungen daran sind zu erwarten, da verschiedene Regelungen streitig sind. Wichtig wird aber insbesondere die Ausgestaltung der CO2-Bepreisung sein. Nach den Überlegungen der Bundesregierung sollen diese im Jahr 2021 mit 10 Euro je Tonne beginnen und auf 35 bis 60 Euro im Jahr 2026 ansteigen. Je höher ein Kompromiss zwischen Bund, Ländern und mit den Grünen ausfallen wird, umso teurer werden Prozessabläufe in den Unternehmen und umso teurer wird es letztlich für den Bürger, wenn es keine adäquate Entlastung bzw. Anreize für Unternehmen und Bürger gibt, in effiziente und effektive ressourcenschonende Maßnahmen zu investieren.
Auf dem Gesetzesweg befinden sich Regelungen zur Mitteilungspflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen, welche die Risiken neuer Bürokratie in sich bergen, wenn sie nicht zielgenau – um missbräuchliche Gestaltungen einzudämmen – ausgestaltet werden. Angestrebt werden weiterhin die Abschaffung der Abgeltungsteuer und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, beides Maßnahmen, die zentrale Fragen der Besteuerung von Kapital betreffen und mit Vereinfachungen im Steuerrecht schwerlich kompatibel sind. Auf der Agenda stehen darüber hinaus Fragen der Besteuerung digitaler Geschäfte (Digitalsteuer einerseits und Einführung einer Mindestbesteuerung, u. a. auf Werbung, andererseits). Diese letzteren Ziele unterstreichen, dass sich insbesondere auch die Wirt-schaftsverbände noch stärker mit internationalen und europäischen Entwicklungen im Steuerrecht befassen müssen, um auf überraschende Rückkoppelungen frühzeitig vorbereitet zu sein.
Für Unternehmen ist jedoch ein besonders wichtiger Aspekt nicht einmal erwähnt, dessen Umsetzung auf sich warten lässt – im Interesse weiter sprudelnder Steuereinnahmen und hohen Beschäftigung hoffentlich nicht zu lange: Eine strukturelle Modernisierung der Unternehmensbesteuerung steht dringlich an, denn seit der letzten Unternehmensteuerreform 2008 sind mehr als zehn Jahre vergangen. Viele Staaten haben in der Zwischenzeit an der Verbesserung ihrer steuerlichen Rahmenbedingungen gearbeitet, und somit ist Deutschland mit einer steuerlichen Belastung von knapp unter 30 Prozent für Kapitalgesellschaften und deutlich mehr bei Personengesellschaften inzwischen ein Hochsteuerland im Umfeld seiner Nachbarn, deren steuerliche Belastung bei 19 bis 25 Prozent liegt.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Vorschläge zur Modernisierung der Unternehmensbesteuerung entwickelt, die auch weitgehend in der Mittelstandsstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie abgebildet sind, und grundsätzlich von der Wirtschaft unterstützt werden können. Fraglich ist leider, wie die Realisierungschancen einzustufen sind, da sich die Bundesregierung lieber mit der Verteilung des Bruttoinlandsproduktes als mit der Setzung von Anreizen zu seiner Entstehung auseinanderzusetzen scheint. Wenn es jedoch zu Verhandlungen über Änderungen des Koalitionsvertrages kommen sollte, müssen sich CDU und CSU für eine Unternehmensteuerreform stark machen; Nachbessern kann keine Einbahnstraße sein. Wenn im Gegenzug jedoch eine neue Vermögensteuer oder Steuererhöhungen für Unternehmen an anderer Stelle – Stichworte Reichensteuer/Spitzen-steuersatz – von der SPD ins Spiel gebracht werden, dann bringen uns solche Mogelpackungen nicht voran. Fazit: Die Aussichten müssen sich bessern, wenn die Stimmung nicht trüber werden soll.
Dr. Dirk Jandura, Mitglied des VEG-Vorstandes und des BGA-Gesamt-Präsidiums Steuerpolitik