Korrekturbedarf bei „Leitlinie und Prozessempfehlung“ zum Gebäudetyp-E

Um die Bauwirtschaft anzukurbeln und Wohnraum zu schaffen, haben das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie das Bundesministerium der Justiz (BMJ) den sogenannten „Gebäudetyp E“ entwickelt. Allerdings enthält die vom BMWSB vorgelegte „Leitlinie und Prozessempfehlung“ falsche Angaben für den Bereich „Elektroinstallation“, wie der ZVEH mitteilt. Der Verband unterstützt den Ansatz zu Vereinfachungen beim Bauen, sieht aber dringenden Aufklärungs- und Korrekturbedarf.

Mit dem Referentenentwurf eines „Gebäudetyp-E-Gesetzes“ will das Bundesministerium der Justiz (BMJ) mehr Flexibilität beim Bauen ermöglichen und die Baukosten senken. Dabei helfen soll die Einführung einer gesetzlichen Regelung, wann technische Normen und Regeln bei Bauverträgen ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht Gegenstand der vertraglichen Leistungspflicht sind. Darauf sollen Verbraucher zusätzlich hingewiesen werden. Außerdem ist eine Vereinfachung für „fachkundige Unternehmer“ geplant, wenn diese von den anerkannten Regeln der Technik (aRdT) abweichen wollen.

Der Gesetzesentwurf wurde am 6. November 2024 – und damit vor dem Auseinanderbrechen der Regierungskoalition – durch das Bundeskabinett verabschiedet und dem Bundestag zugeleitet. Die „Leitlinie und Prozessempfehlung“ wurde noch am gleichen Tag auf der Homepage des BMWBS veröffentlicht. Bisher war hier nur der Entwurf abrufbar. Wie schon im bisherigen Entwurf soll auch in der finalen Form der „Leitlinie und Prozessempfehlung“ zum Gebäudetyp E anhand von Beispielen erläutert werden, wie eine Abweichung von den aRdT auch nach aktueller Gesetzeslage möglich ist.

Bei beiden ministerialen Vorstößen hat sich der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) mittels Stellungnahmen eingebracht und in diesem Rahmen auch auf bestehende Fehler und Unstimmigkeiten hingewiesen. Dazu zählt insbesondere auch, dass die „Leitlinie und Prozessempfehlung“ des BMWSB falsche Angaben zur Elektroinstallation enthält, die leider nicht korrigiert wurden. So wird unter anderem weiterhin behauptet, eine 75 Quadratmeter große Dreizimmer-Wohnung sei mit 47 Steckdosen auszustatten. Trotz fachlicher Hinweise wurden diese Angaben ohne Änderungen in das finale Dokument übernommen.

Diese Angaben sind falsch:

Dies hatte zur Folge, dass Falschinformationen auch in den Medien aufgegriffen und dort reproduziert wurden. Zu den im Umlauf befindlichen falschen Angaben zählen:

  • Steckdosenzahl: Mehrfach war in der Presse zu lesen, dass für eine durchschnittliche 75 Quadratmeter große Dreizimmer-Wohnung durch die DIN-Norm für „Elektrische Anlagen in Wohngebäuden – Teil 2: Art und Umfang der Mindestausstattung“ (DIN 18015-2) die Anzahl von mindestens 47 Steckdosen verbindlich vorgegeben sei. Tatsächlich ist das nicht korrekt und es ist nicht nachvollziehbar, wie das Ministerium zu dieser Zahl kommt. Aus der Norm ergibt sich diese Zahl nicht.
  • Keine Anwendungsverpflichtung: Anders, als in einigen Medien dargestellt, ist die zitierte Norm auch nicht verpflichtend anzuwenden. Sie beschreibt mögliche Ausstattungsmerkmale einer Mindestausstattung, die die Vertragsparteien vereinbaren können, aber nicht müssen.

Der ZVEH begrüßt die Leitbildfunktion der Norm und sieht darin eine große Hilfestellung für die Vertragsparteien, weil exemplarisch ein sinnvolles Ausstattungsprogramm vorgeschlagen wird, das die Planungen vereinfacht und den Beteiligten größere (Rechts-)Sicherheit gibt. Dass die zugrundeliegende Norm keine anerkannte Regel der Technik und damit nicht automatisch verbindlich ist, wurde auch gerichtlich, durch ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 9. Februar 2023 (5 U 227/21) bestätigt. Zumindest im finalen Dokument hat auch das BMWSB diesem Urteil eine Fußnote gewidmet.

  • Größere Kostenersparnis durch Steckdosen-Reduzierung: Immer wieder wird in der Presseberichterstattung zudem suggeriert, durch die Reduktion der Steckdosenzahl von 47 auf 24 für eine Wohnung in der oben genannten Größe könne eine deutliche Kostensenkung erzielt werden.

Nach Schätzungen des ZVEH – basierend auf der bewährten und in tausenden E-Betrieben im Einsatz befindlichen e-handwerklichen Kalkulationshilfe, die Produktpreise und Arbeitszeiten berechnet – lässt sich dadurch jedoch lediglich eine Kostenersparnis im mittleren dreistelligen Bereich erreichen.

Der Ersparnis stehen jedoch Komforteinbußen sowie auch erhebliche Mehrkosten bei zukünftigen Sanierungen gegenüber. Nicht zu vernachlässigen ist auch das Sicherheitsrisiko. Sind zu wenige Steckdosen vorhanden, führt das aufgrund weiter steigender Nutzung von Elektrogeräten erfahrungsgemäß dazu, dass Mehrfachsteckdosen benutzt und diese zum Teil sogar in Reihe hintereinandergeschaltet werden. Dies kann jedoch unter anderem das Brandrisiko erhöhen.

  • Normen sind nicht beliebig: Für problematisch hält der ZVEH zudem, dass im Rahmen der medialen Berichterstattung rund um den Gebäudetyp E der Eindruck erweckt wird, die in Normen enthaltenen Vorgaben – in diesem Fall die DIN 18015-2 – seien beliebig und daher verzichtbar. Dies ist nicht der Fall.

So haben Normen, die unter Beteiligung von Fachexperten und unter Einbeziehung von Praxisbeispielen in Gremien renommierter Organisationen wie der DIN und DKE erarbeitet werden, insbesondere die Sicherheit im Blick. Gerade in der gefahrgeneigten Elektrotechnik und vor dem Hintergrund einer starken Zunahme von Elektrogeräten sowie dezentraler Stromeinspeisung durch PV-Anlagen spielt Sicherheit jedoch eine extrem wichtige Rolle.

„Der ZVEH setzt sich als Bundesverband der E-Handwerke für kostengünstiges und unbürokratisches Bauen ein. Normung ist hier aber nicht nur eine Last, sondern sogar unverzichtbarer Baustein für kostengünstiges Bauen, denn ohne Norm passt nichts zueinander“, so ZVEH-Hauptgeschäftsführer Alexander Neuhäuser: „Aber: Die Normung muss sich ändern. Wir müssen in der Normung sortieren, was aus Sicherheitsgründen unverzichtbar und deshalb technischer Mindeststandard ist. Gleichzeitig muss kenntlich sein, welche Normen optionale technische Lösungen betreffen, für die wir zwar ebenfalls eine Norm benötigen, damit die E-Handwerke sie anbieten können, über deren Umsetzung der Bauherr jedoch – je nach Geldbeutel – frei entscheiden kann.“

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