Rund ein Viertel der deutschen CO2-Emissionen durch Kohlenstoffspeicherung vermeidbar

Die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff könnte zu einem wichtigen Baustein für die Energiewende in Deutschland werden. Denn trotz zunehmender Nutzung von erneuerbaren Energien lassen sich nicht alle Sektoren durch grünen Strom dekarbonisieren, und nicht jede Industrie bietet sich für den Einsatz von grünem Wasserstoff an. Carbon Capture and Storage (CCS) könnte hier eine pragmatische Alternative bieten. Für die Abscheidung von Kohlendioxid in großen Mengen eignen sich insbesondere große stationäre CO2-Emittenten wie in der Grundstoffchemie, Eisen- und Stahlherstellung oder der Zementindustrie. Das Abscheidungspotenzial aus diesen Industrien beträgt technisch betrachtet rund 150 Mt im Jahr – ein Viertel der deutschen CO2-Emissionen. Dies geht aus dem neuen Energiewendeindex der Unternehmensberatung McKinsey & Company hervor. 
 
Zehn größte CO2-Emittenten bereits mit 50 Mt Abscheidungspotenzial pro Jahr

„Derzeit fallen die Kosten für CCS noch so hoch aus, dass sich die Technologie für viele Marktteilnehmer nicht rechnet. Das könnte sich mit steigenden Zertifikatspreisen ändern – dann könnte CCS neben Wasserstoff eine von mehreren möglichen Optionen sein“, sagt Thomas Vahlenkamp, Senior Partner im Düsseldorfer Büro von McKinsey. „Allein von den zehn größten stationären CO2-Emittenten vornehmlich aus der Chemie-, Stahl- und Energiebranche, ließen sich fast 50 Mt CO2 pro Jahr unter die Erde befördern. Dazu bräuchte es jedoch ein klares Bekenntnis der Unternehmen und einen Zeitplan – denn die erforderliche Infrastruktur rechnet sich nur ab einer gewissen Größe.“ 

Im Frühjahr 2024 stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Eckpunkte der Carbon Management-Strategie vor: Erstmalig soll die unterirdische CO2-Speicherung in größerem Umfang in der deutschen Nordsee erlaubt werden. Ferner können die Bundesländer Onshore-Speicherungen in ihren jeweiligen Landesgebieten beschließen. In Planung sind in Deutschland erste Großprojekte mit einer Abscheidungskapazität von rund 9 Mt pro Jahr; vorrangiges Einsatzgebiet ist die Zementindustrie. Spätestens Ende des Jahrzehnts sollen die Anlagen in Betrieb gehen. 

Nach McKinsey-Analyse könnten in Summe rein technisch betrachtet pro Jahr 360 Mt Treibhausgas mittels CCS abgeschieden werden – dies entspricht mehr als der Hälfte aller CO2-Emissionen in Deutschland. Davon entfallen etwa 150 Mt auf Großemittenten, bei denen CCS zukünftig attraktiv sein könnte. „Allerdings bieten sich nicht alle Industrien gleichermaßen dafür an: Die Sektoren unterscheiden sich je nach Regulatorik, alternativen Technologieoptionen und Abscheidungskosten“, so Fridolin Pflugmann, Associate Partner im Frankfurter Büro von McKinsey. Berücksichtigt man außerdem die unterschiedlichen Aufwendungen für Transport und Speicherung je nach geografischer Lage der Emittenten, ergibt sich ein erstes Bild über die potenziellen CCS-Abscheidungsmengen und deren Kosten. 

Chemische Industrie: Aus Kostensicht besonders vorteilhaft für CCS sind Industrien, die eine hohe CO2-Konzentration aufweisen. In der Grundstoffchemie, die pro Jahr rund 25 Mt emittiert, fällt Kohlenstoffdioxid häufig in sehr reiner Form als Nebenprodukt chemischer Prozesse an. Attraktive CCS-Anwendungsfälle sind beispielsweise die Ammoniak- und Ethanolproduktion: In diesem CO2-intensiven Sektor könnte CCS – selbst unter Hinzurechnung der Transport- und Speicherkosten – für einige Unternehmen mit Abscheidungskosten von 40-60 €/t bereits heute eine Option sein, sofern die nötige Infrastruktur vorhanden ist. 

Eisen- und Stahlindustrie: Hier fällt die CO2- Konzentration in der Regel deutlich geringer aus; die Abscheidungskosten steigen entsprechend an auf 50-150 €/t. In der energieintensiven Eisen- und Stahlindustrie, die pro Jahr 50 Mt ausstößt, liegt die CO2-Konzentration bei 25 bis 30 %. Zusammen mit Transport- und Speicherkosten erscheint die Technologie gegenüber den aktuellen ETS-Preisen noch nicht attraktiv; zumal in der Eisen- und Stahlindustrie alternative Produktionsprozesse auf Wasserstoffbasis massiv gefördert werden.

Raffinerien: CCS-Verfahren eignen sich für Raffinerien (25 Mt p.a. – Abscheidungskosten von 60-120 €/t), etwa um die Emissionen abzuscheiden, die bei der Erzeugung von Prozesswärme entstehen. Für die Unternehmen interessant wäre der CCS-Einsatz aber auch für prozessbedingte Emissionen in chemischen Reaktionen, etwa beim Cracking, für die es bislang keine alternativen CO2-Vermeidungstechnologien gibt.

Zement- und Kalkindustrie: In der Zement- und Kalkindustrie, die rund 30 Mt pro Jahr emittiert, sind die Abscheidungskosten aufgrund der geringen CO2-Konzentration (20 bis 25 %) zwar vergleichsweise hoch (70-120 €/t). Dennoch wird die Branche oft als Musterbeispiel für CCS-Anwendungen aufgeführt, denn: Ein Großteil des Kohlendioxids lässt sich prozessbedingt nicht vermeiden. Hier kann bislang nur CCS Abhilfe schaffen, um das Netto-Null-Ziel in diesem Sektor zu erreichen.

Strom und Wärme: Das theoretisch größte CSS-Einsatzgebiet wäre der Strom- und Wärmesektor: Ein Großteil der CO2-Emissionen (rund 210 Mt p.a.) entsteht in diesem Bereich. Doch über 70 % davon werden nach wie vor in Kohlekraftwerken freigesetzt, die nach dem aktuellen Gesetzesvorschlag nicht für CCS zugelassen sind. Gaskraftwerke hingegen sollen prinzipiell CCS anwenden können. Allerdings ist die Abscheidung aufwendig, da der CO2-Anteil in den Abgasen bei unter 10 % liegt. Die CCS-Kosten liegen zwischen 80 und 170 €/t.

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